Streik in München:"Ich will doch zu meinem Freund nach Düsseldorf!"

Lesezeit: 3 min

Die zweite Warnstreikwelle der Lokführer hat auch in München zu Behinderungen geführt - allerdings nur zu geringfügigen.

Die zweite Warnstreikwelle der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) hat am Freitagmorgen erneut zu Behinderungen im S-Bahn-Verkehr geführt. Vor allem in Nürnberg fielen zahlreiche S-Bahnen aus, in München seien die Züge dagegen "nur geringfügig betroffen" erklärte ein Bahn-Sprecher auf SZ-Anfrage.

Tatsächlich bildeten sich auf den Bahnsteigen in den Tiefbahnhöfen auf der S-Bahn-Stammstrecke - anders als am vergangenen Dienstag beim ersten Warnstreik der GDL Streik - keine größeren Menschentrauben. Viele Pendler waren offenbar schon früher zur Arbeit gefahren und hatten sich auf den Ausstand eingestellt. Man habe mit dem Startbeginn um 8.30 Uhr Rücksicht auf die Pendler genommen, sagte GDL-Chef Claus Weselsky am Freitagmorgen.

Bei der Münchner S-Bahn konnten nach Angaben der Bahn zahlreiche Strecken zumindest im 40-Minuten-Takt bedient werden; auf vielen Verbindungen fuhren die Züge auch im 20-Minuten-Takt, erklärte der Bahn-Sprecher. Lediglich auf der Linie A, die von Dachau nach Altomünster führt, fielen sämtliche Züge aus. Die Bahn setzte auf dieser Strecke Ersatzbusse ein.

Der bayerische GDL-Chef Uwe Böhm sagte dagegen, allein bei der Münchner S-Bahn seien mehr als 100 Züge ausgefallen. Nur die S-Bahnen zum Flughafen würden nicht bestreikt. Gegen Ende des Streiks seien innerhalb von 20 Minuten nur noch drei Züge pro Richtung in der Stammstrecke unterwegs gewesen. Nach seinen Angaben beteiligten sich bayernweit etwa 200 Lokführer an dem Ausstand; betroffen gewesen seien auch ein gutes Dutzend Güterzüge.

Am Münchner Hauptbahnhof blieb es in den ersten eineinhalb Stunden des Ausstands relativ ruhig; die Anzeigetafel für den Regional- und Fernverkehr zeigte nur einige wenige Zugausfälle. Erst gegen 10 Uhr häuften sich die Schriftbänder mit der Aussage "Zug fällt aus". Am Infoschalter der Bahn in der Abfahrtshalle bildete sich eine lange Schlange. "Ich will zu meinem Freund nach Düsseldorf", sagte eine junge Frau in der Schlange. "Aber mein ICE nach Frankfurt ist ausgefallen."

Nun wollte sie sehen, wie sie dennoch in die Main-Metropole kommt. "Aber dort wird es dann vermutlich noch schlimmer", sagte sie. Tatsächlich hatte die GDL am Donnerstagabend angekündigt, der Großraum Rhein-Main sei einer der Streikschwerpunkte. GDL-Funktionär Böhm sagte, die Bahn sei dazu übergegangen, ausgefallene und verspätete Züge nicht mehr auf ihrer Anzeigetafel anzuzeigen. "Wenn sich ein Reisender fragt, ob sein Zug nun fährt oder nicht, muss er zum Serviceschalter gehen." Die Bahn wies den Vorwurf zurück.

Als Reaktion auf den erst am Donnerstagabend angekündigten Streik hatte die S-Bahn-Leitung sich zudem entschieden, kurzfristig die sogenannten Taktverstärkerzüge ausfallen zu lassen. Das sind die Züge, die im morgendlichen Berufsverkehr einen Zehn-Minuten-Takt auf einigen Strecken im Münchner Westen erlauben. Die Fahrgäste dort mussten sich dort also bereits vor dem offiziellen Streikbeginn um 8.30 Uhr mit einem geringeren Zugangebot begnügen und in volle Waggons quetschen. "Das ist eine echte Frechheit", schimpfte ein Mann am Münchner Hauptbahnhof. "Die Lokführer streiken erst ab halb neun, die Bahn aber dünnt ihr Angebot schon vorher aus." Ein Bahnsprecher erklärte, man habe den Kniff angewandt, um für die Zeit des Streiks mehr Lokführer zur Verfügung zu haben.

Davon profitierte auch ein Fahrgast aus Wolfratshausen, für den es "problemlos von Wolfratshausen bis zum Hauptbahnhof" lief, wie er berichtete. Er sei bis zu seiner Pensionierung selbst Lokführer gewesen - und habe keinerlei Verständnis für den Streik. "Mal ehrlich", sagt er. "Das Gerede von der großen Verantwortung der Lokführer - das ist doch alles Humbug. Die Verantwortung hat der Mann im Stellwerk." Seine S-Bahn zum Flughafen kam dann auch innerhalb weniger Minuten, der Anschluss klappte: "In meinem Fall jedenfalls verpufft der Streik", sagte er und stieg ein.

Die Bahn rechnet jedoch damit, dass es auch nach dem Ende des Warnstreiks um 11.30 Uhr zu Behinderungen, Verspätungen und einzelnen Zugausfällen kommen wird. Die S-Bahn-Führung hat zwar zusätzliches Personal eingesetzt, um die Züge und das Personal schneller und besser disponieren zu können; dennoch benötigt die Bahn nach einem Streik aller Erfahrung nach einige Zeit, bis das gesamte S-Bahn-System wieder einigermaßen im Takt läuft. Auch im Fernverkehr dürfte es bis in den Nachmittag oder sogar Abend hinein zu Behinderungen kommen - was dann vor allem den Rückreiseverkehr für Wochenendpendler beeinträchtigen dürfte.

© sueddeutsche.de/dpa-bay - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: