Linksaußen:Mit Eisarsch ins Warme

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Die Amateurfußballer sind in der Winterpause und können die Beine hochlegen. Sie sollten sich ein Beispiel an anderen Sommersportlern nehmen, die auch in der Kälte aktiv bleiben.

Kolumne von Ralf Tögel

Schluss, aus, vorbei, kein Spiel, kein Ball, bis März. Das sind ganze DREI Monate. Und jetzt? Was soll der ambitionierte Hobbykicker mit so viel Freizeit anfangen? Zum Fan werden und wenigstens den Professionellen zuschauen - ist aber noch lange nicht dasselbe. Lewandowski, okay, Müller, Neuer, Coutinho, jaja, besser als nix. Es geht aber nichts übers Selbermachen, also was tun: Winterschlaf? Warten? Urlaub? Umschulen? Auf Hallensportler zum Beispiel, die haben es deutlich besser im Winter, weil sie ganz einfach ein Dach über dem Kopf haben. Basketball, Eishockey, Handball oder Volleyball - da wird höchstens mal um Heiligabend herum kurz innegehalten, dann geht es wieder volles Rohr weiter, ist das wunderbar. Es gibt aber bekanntlich nicht nur winterbeschäftigungslose Fußballer, was machen denn die übrigen Sommersportler? Die sind einfallsreicher (was nichts mit einer mentalen Unbeweglichkeit der kickenden Zeitgenossen zu tun hat). Nehmen wir mal die Segler, auch da ist die Saison längst vorbei, die Bundesliga hat Pause, die Champions League ist entschieden, der Pokal längst vergeben. Und trotzdem keine Spur von Winterdepression.

Es kommt die Zeit, das es keine Winterpausen mehr braucht

Der Spielertrainer des Münchner Yacht Club zum Beispiel, Micki Liebl, im Sommer noch höchst beschäftigt im Kampf um den Klassenerhalt; doch als der geschafft war, kam ihm keinesfalls der Gedanke erst mal die Füße hochzulegen. Das Gegenteil ist der Fall: Anstatt in Ruhe auf den nächsten Saisonstart im kommenden Mai zu warten, bis die Seen wieder eisfrei sind und das Wasser Badetemperatur erreicht hat, geht der 54-Jährige eine ganz besondere Herausforderung an. Er bereitet sich, nun ja, auf eine Art Weltmeisterschaft vor: die größte Einhand-Transatlantikregatta auf offener See. Ganz allein wird Liebl mehr als 4000 Seemeilen vom französischen La Rochelle über Las Palmas bis zur Karibikinsel Martinique segeln, das entspricht locker einer Fußball-WM mit 128 Teilnehmern, mindestens. Jetzt heißt es trainieren, trainieren, trainieren, dann die Qualifikation und Schwupps ist 2023 das Rennen.

Für alle Segler, die nicht so lange warten wollen, gibt es ja die Eisarsch-Regatta. Da muss man auch nicht bis in die Karibik segeln, sondern nur nach Lübeck reisen, sich warm anziehen, dann in eine Optimisten-Kinderjolle zwängen und loslegen. Zum 51. Mal fand die kalte Gaudi am Wochenende statt, erstmals waren Frauen zugelassen. Aber wer gewinnt ist sowieso - sagen wir mal - für den Arsch. Alle Teilnehmer waren lupenreine Amateure, die so gar keine Lust hatten, der kalten Zeit nachzugeben und auf ihren Sport zu verzichten. Knapp 100 Kälteunempfindliche waren am Start, ob Fußballer darunter waren, ist nicht bekannt.

Die zieht es im Gegensatz zur Eisarsch-Gilde (der Veranstalter nennt sich wirklich so) in den angenehmer temperierten Süden, wo sie sich dann in der Sonne vorbereiten. Denn Väterchen Frost wird sich irgendwann wieder verabschieden, die Winter werden sowieso immer kürzer und wärmer. Und irgendwann vielleicht, braucht es gar keine Winterpause mehr. Was für ein Gedanke.

© SZ vom 09.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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