Linksaußen:Live aus dem Basketball-Gehege

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Der Große Ameisenbär hat die Menschen vermisst, wie überhaupt viele Zootiere in Hellabrunn. Nun dürfen sie alle wieder Besucher empfangen - im Gegensatz etwa zu Münchens Basketballern.

Von Ralf Tögel

Nehmen wir doch mal den Myrmecophaga tridactyla. Was glauben Sie denn, wie es dem armen Kerl in den vergangenen Monaten ergangen ist? Nicht gut, ist anzunehmen. Denn während sich die Verschwörungstheoretiker zum Marienplatz aufmachten, um Beschränkungsmaßnahmen demonstrativ zu unterlaufen, konnte der große Ameisenbär den Tierpark Hellabrunn nicht mal eben verlassen. Nicht zum Marienplatz, nicht zur Theresienwiese, nirgendwohin. Dabei hätte er mehr Grund gehabt, über sein Leid zu klagen. Der Myrmecophaga tridactyla verbringt sein ganzes Leben in Quarantäne, die einzige Abwechslung sind Zoobesucher, die ihn bei der Ameisenjagd und was er sonst noch so treibt beobachten. Er kann es ja nicht sagen, aber von fachkundigem Zoopersonal ist zu hören, dass den Tieren die Menschen abgegangen sind. Kaum zu glauben, wenn man sich die Bilder vom Marienplatz in Erinnerung ruft.

Wobei man schon unterscheiden muss bei den Tieren, wie die zoologische Leiterin des Münchner Tierparks, Beatrix Köhler, mitteilte. Ein Haifisch sei nicht so sehr auf Besucher fokussiert wie ein Menschenaffe. Die drehen sogar den Spieß um und betrachten gerne die Schaulustigen. Da möchte man sich manchmal fragen, wer hinter dem Zaun oder der Scheibe steht? Egal, jedenfalls müsse man sich das bei den Primaten so vorstellen, als ob der Fernseher kaputt gewesen wäre. Was dem Menschen kaum zuzumuten wäre, schon gar nicht dem Fußballfan.

Selbiger darbte mindestens so elend vor sich hin in der sportlosen Zeit wie der große Ameisenbär in seinem Gehege. Nun rollt ja längst wieder der Ball in den Stadien und den TV-Geräten, seit dem 11. Mai bekommt auch die Tierwelt in Hellabrunn wieder ein paar Menschen zu sehen. Was dem Carcharhinus melanopterus, den der Fachmann als Schwarzspitzen-Riffhai kennt, leidlich egal ist, wie wir gelernt haben. Wie es sich mit der Giraffa reticulata, auch vom wenig versierten Tierfreund leicht als Netzgiraffe auszumachen, verhält, ist eine andere Frage. Diese Tiere wirkten schon vor der Corona-Krise recht entschleunigt. Eine große Änderung ist nun, da Hellabrunn die Pforten wieder geöffnet hat, nicht auszumachen. Womit man beim Basketballer wäre, ebenfalls einem eher großen Zeitgenossen, der meist auch entschleunigt daherkommt. Auch die Basketballer der Nation dürfen vom kommenden Samstag an wieder raus. Besuchen darf man sie nicht, immerhin kann, wer will, hinter der Scheibe dabei sein. Das Meisterturnier wird komplett und live übertragen.

In Zoos, war zu hören, wurden gar Notschlachtungen als letztes Mittel diskutiert, sollten sie mangels Einnahmen geschlossen werden. Das ist zum Glück nicht der Fall, Hellabrunn erfreut sich eines regen Zustroms, alles im Rahmen des Erlaubten freilich. Darauf müssen auch die Basketballer achten, schön in Quarantäne bleiben wie der große Ameisenbär und entschleunigt wie die Giraffen den Betrieb wieder aufnehmen. Von Notschlachtungen war sowieso nie die Rede.

© SZ vom 02.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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