Linksaußen:Glühwein für Wutfußballer

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Wintereinbruch, Zuschauermangel, Streiks und Angriffe auf Schiedsrichter: Man muss sich ernsthaft damit auseinandersetzen, wie lange es den Fußball überhaupt noch gibt auf dieser Welt.

Kolumne von Ralf Tögel

Haben Sie es schon gehört? Seit Freitag kann man auf der Zugspitze wieder gen Tal brettern, die Skisaison wurde eröffnet. Fast schon ein bisschen spät, bei unseren alpenländischen Nachbarn wird schon seit vier Wochen herumgecarvt, und damit sind keineswegs die Gletscherskigebiete gemeint. In Duisburg brummt auch schon der Weihnachtsmarkt, der in München beginnt erst in eineinhalb Wochen, sollte man mal drüber nachdenken. Zum Trost: In Kitzbühel ist auch noch kein Weihnachtsmarkt, dafür haben sie im Tiroler Nobelort schon vor vier Wochen die Lifte angeschmissen - bei satten 20 Grad plus. Gut, alle Abfahrten waren nicht möglich, dafür gab es diese irre Optik, eine weiße Schneeader auf dem ansonsten schmutzigbraunen Berg, tolles Fotomotiv. Die Grundlage kam übrigens aus Depots, da lagern die Ösis Schnee für alle Fälle, der dann per Hubschrauber auf die Almwiesen gekippt wird. War da nicht was in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit? Egal.

Sollen sie sich doch aus Protest an den Torpfosten ketten

Ist schon witzig, dort, wo sie den Schnee gut brauchen können, gibt es keinen. Dort wo er stört, fällt er ungefragt. Auf den diversen Fußballplätzen im Freistaat zum Beispiel. Im Allgäu waren am vergangenen Dienstag bereits die Räumdienste unterwegs, was bedeutet, dass im Gegensatz zum Skibetrieb der Spielbetrieb demnächst wieder empfindlich gestört wird - die ersten Absagen hat es ja bereits gegeben. Dabei geht es dem Fußball ja fast so wie Mutter Erde, man muss sich fragen, wie lange es ihn überhaupt noch gibt. Die Berliner Schiedsrichter haben schon mal gestreikt, 1600 Spiele sind ausgefallen. Selbst die Nationalmannschaft will kaum mehr einer sehen, zum Länderspielkracher gegen Weißrussland waren im kleinen Gladbacher Stadion riesengroße Lücken auf der Tribüne.

Und dann noch diese neue Spezies, der Wutfußballer. Erinnern Sie sich noch an den Wutbürger? Meist etwas ältere Semester, Typ pensionierter Oberstudienrat, die sich mit wutverzerrter Fratze an einen dieser todgeweihten Stuttgart-21-Bäume klammerten, bis sie von der Polizei mit Wasserwerfern weggespritzt wurden. Die Bäume sind dann doch in diversen Hackschnitzelwerken massakriert worden.

Und jetzt die Kicker. Mit wutverzerrten Fratzen wird da auf den Schiedsrichter losgegangen, weil der einen Einwurf falsch gesehen hat. Oder er wird gleich umgenietet. Sollen sich die doofen Fußballer doch als Protest an den Pfosten ketten, bis sie von den Ordnern weggeflext (Torpfosten sind im Gegensatz zu Ländle-Bäumen aus Aluminium) werden. Gibt es überhaupt Oberstudienräte, die Fußball spielen? Egal.

Jedenfalls ist derlei Wahnwitz nur im Fußball zu beobachten, vielleicht weil im Handball oder Basketball viel härter sanktioniert wird. Wer versucht, Nase an Nase etwas mit dem Unparteiischen auszudiskutieren, findet sich schnell auf der Strafbank wieder - oder gleich vor der Halle. Selbst die Eishockeyspieler suchen sich für ihre Kloppereien immer einen Gegner aus, der Schiedsrichter ist tabu.

Vielleicht sollte manch einer mal ein bisschen in sich gehen - bei einem Tässchen Glühwein, auf einem Weihnachtsmarkt vielleicht.

© SZ vom 18.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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