Linksaußen:Garchinger Traumfabrik

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Nach all dem geballten Unheil sollte beim VfR Garching doch nun bald mal ein filmreifes Happy End her. In Hollywood wäre das so. Doch es gibt kein Hollywood in Münchens Norden.

Kolumne von Stefan Galler

Wo bleibt er denn nur, der Held? Man kennt das doch aus den großen Sportdramen der Kinogeschichte: Ein Team vereint alles Unglück auf sich, reiht Niederlage an Niederlage, dazu kommen menschliche Tragödien und eine wirtschaftliche Negativspirale, die dazu führt, dass die sympathischen Athleten vor einem Scherbenhaufen stehen. Doch dann tauchen sie auf, die Retter: Brad Pitt, der in Moneyball die Einkaufspolitik eines Baseballklubs mittels Spielstatistiken erfolgreich auf den Kopf stellt. Paul Newman, der in Slap Shot seine chronisch erfolglose Eishockeymannschaft mit Hilfe von drei grenzdebilen und gewaltbereiten Brüdern wieder auf Vordermann bringt. Oder Gene Hackman, der als eigensinniger Trainerkauz in Hoosiers ein Provinz-Basketballteam zur Highschool-Meisterschaft führt.

Da wird sich doch beim Fußball-Regionalligisten VfR Garching auch einer finden, der die ziemlich verfahrene Situation zu einem guten Ende führt. Was bisher geschah: Die Garchinger haben den Überflieger der Liga besiegt, doch weil der Spitzenreiter in die dritte Liga verfrachtet wurde, die Regionalligasaison jedoch nach der Viruspause weiterläuft, musste der abgeschlagene Tabellenletzte die Punkte aus diesem Spiel wieder hergeben und ist jetzt noch abgeschlagener. In der Kasse herrscht Ebbe, weil Verhandlungen mit einem potenziellen Hauptsponsor wegen Corona abgebrochen wurden. Und deshalb musste man auch ein gutes Dutzend Spieler ersetzen, die nicht bereit waren, zum Nulltarif zu kicken. Und als wäre all das nicht schon schlimm genug, schlägt Covid-19 nun auch direkt ins Kontor: Zuerst wurde das Spiel in Aubstadt abgesagt, weil es dort nach einer Hochzeitsfeier zu einem Corona-Ausbruch kam. Und das folgende Heimspiel gegen Memmingen fiel aus, weil ein Garchinger Spieler entsprechende Symptome hatte. Danach wurde er - Achtung, retardierendes Moment - negativ getestet, ein Hoffnungsschimmer. Doch Test Nummer zwei ist positiv, weitere Spielabsagen sind die Folge und so langsam scheint der Vorhang zu fallen im Stadion am See.

Eine tragische Geschichte bis hierhin. Da muss doch endlich die Wende folgen! Als Held würde perfekt der junge Trainer Benjamin Flicker taugen, der den Job im Winter 19/20 antrat und mit seiner Elf bislang ungeschlagen ist, zumindest in der Liga (ein Spiel, 0:0 gegen Greuther Fürth II, das 0:6 im Pokal, nun ja, Schwamm drüber). Er packt das neu zusammengewürfelte Team bei der Ehre, die Jungs mischen nach der Quarantäne die Liga auf, finanzstarke Firmen werden auf den VfR aufmerksam. Mit frischem Geld steigt der Klub in die dritte Liga auf und Sportdirektor Trifellner verkauft zwei Garchinger Stars an Paris St. Germain. Ach, wir sind hier gar nicht in Hollywood? Es hätte so schön sein können.

© SZ vom 12.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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