Linksaußen:Der Trainer steckt im Reisekoffer

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Was haben Heidi Klum, Hubert Aiwanger und die dritte Fußballliga gemeinsam? Ohne Publikum ist alles anders, egal ob es um Preisverleihungen, Hendl-Gleichnisse oder Stadien voller Wischmopps geht.

Von Andreas Liebmann

Natürlich ließ sich das deutsche Bildungsfernsehen nicht aufhalten von der kleinen Pandemie: Das Finale von Germany's next Topmodel fand am Donnerstagabend live statt, wie jedes Jahr. Es trug wie üblich zur Spracherziehung bei ("Ich feiere einfach alles about you all!", sagte da etwa eine Personality-Award-Gewinnerin namens Tamara, von der auch das lyrische Kleinod stammt: "Ich mecker nicht, I'm chill as fuck."). Es demonstrierte außerdem vorbildlich, wie ernst man es mit Abstandsregeln halten kann, indem Moderatorin Heidi Klum nicht nur die vorgeschriebenen 1,50 Meter, sondern sicherheitshalber gleich 9300 Kilometer weit von ihren Finalistinnen entfernt blieb. Klum war aus Los Angeles zugeschaltet und quakte deshalb in einem Berliner TV-Studio (Berlin, Berlin, wir schalten nach Berlin!) aus einem Monitor heraus, der obendrein in einem Reisekoffer stand. So ließ sich der Hildegard-Knef-Klassiker "Ich hab' noch einen Koffer in Berlin" glatt mal als Drohung verstehen. Seltsamerweise widerstanden die leibhaftig Anwesenden der Verlockung, ihn bisweilen einfach mal zuzuklappen.

Und dann gab es da noch Lijana, die, weil sie im Laufe der Staffel nicht nur Supporter, sondern vor allem Hater (neudeutsch für Idioten) und Morddrohungen collected hatte, gleich zu Beginn des Finales von ihrer Finalteilnahme backkickte (also: zurücktrat), instead sich weiter zu batteln. Und damit nun zum Sport. Und zur Frage, was er von Heidi lernen kann.

Neues von der Geistershow: "Es wurde sehr still im Studio."

Dazu muss man noch kurz betrachten, wie die Feuilletonisten der Bild-Zeitung jene Szene schildern, in der Lijana zurücktritt, nämlich so: "Dann sprach Lijana direkt in die Kamera, es wurde sehr still im Studio." Das überraschte insofern, als es dort generell sehr still gewesen sein dürfte. Denn im Studio saß kein Publikum. Es war gewissermaßen eine Geistershow. Konfetti regnete von der Hallendecke herab, die Cheerleader kamen vom Friedrichstadt-Palast und der Beifall, frenetisches Gekreische und Gejohle, kam vom Band.

Erkenntnis Nummer eins also, gerade für den Profifußball: Vielleicht kann es künftig zur Not auch mal genügen, wenn Trainer oder Schiedsrichter nicht mit, sondern nur in einem Koffer zu Geisterspielen reisen, vorausgesetzt, dass sich ein Monitor darin befindet. Erkenntnis Nummer zwei: Das mit dem eingespielten Beifall (wahlweise Torjubel) scheint recht gut zu funktionieren, zumindest solange man keine leeren Tribünen zeigt.

Es lässt sich an dieser Stelle nicht vermeiden, noch kurz über Hubert Aiwanger zu reden. Auch der Wirtschaftsminister hat sich zuletzt Hohn und Spott im Internet eingehandelt, als Erfinder des Gleichnisses vom halben Hendl und als Urheber der Vatertagsregelkunde vom 15-Meter-Biertisch. Aber er hat eben auch kluge Dinge vollbracht, visionäre sogar, wie sein anfangs unverstandener Kauf von 90 000 Wischmopps. Nun muss man Abbitte leisten. Denn wo immer inzwischen wieder Sport getrieben wird, muss gewischt und geputzt werden. Allein für das Finalturnier der Basketballer in München muss der Boden bald derart oft desinfiziert und gewischmoppt werden, dass die Gastgeber vom FC Bayern froh sein werden um jeden einzelnen Mops, äh: Mopp aus den Beständen des Ministers. Erst recht, wenn es noch Konfetti regnet.

Wischmopps statt Sexpuppen: Über die Vision eines Ministers

Und auch für den Rest könnte die Nachfrage rasant steigen. Aus Wischmopps lassen sich nämlich mit einfachsten Mitteln lockenköpfige Fanpuppen herstellen, mit Mundschutz am besten, die garantiert sittsamer sind als jene Sexpuppen, mit denen gerade der FC Seoul zur allgemeinen Empörung im Lande seine Tribüne gefüllt hat. Bastelanleitungen finden sich sicher im Internet, man braucht dafür nur ein paar Kleidungsstücke.

Am Wochenende haben sich die Fußball-Drittligisten in ihre Quarantäne begeben. Die Daheimgeblieben können nun also zu basteln beginnen. Die Zeit für den TSV 1860 drängt, bis nächsten Samstag sollten die Fanattrappen fertig sein. Die Frist für die SpVgg Unterhaching ist entspannter, das erste Heimspiel ist für den folgenden Dienstag angesetzt. Das sollte genügen, um die Haupttribüne auszustatten. Vorausgesetzt, Aiwanger hat überhaupt noch genug seiner heiß begehrten Moppse übrig. Jubel, Gekreische und Schlachtengesänge fürs Band könnte man bis dahin auch noch einsingen, und statt Brotzeit wird in jeder Pause künftig Aiwangers Hendl-Rede abgespielt. Und bitte nicht wundern, wenn in dieser Zeitung demnächst über Gegentore stehen wird: "Plötzlich wurde es still im Stadion." Selbst wenn es völlig leer ist. Oder voller entsetzt schweigender Wischmopps.

© SZ vom 25.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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