Linksaußen:Der Flug der Weihnachtsstörche

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Kein Wunder, dass Kreisklassist Falke Markt Schwaben Federvieh mag. So sehr, dass man auf mobiles Flutlicht zurückgriff, weil ein Storchenpärchen auf einem der Masten ein Nest gebaut hatte.

Kolumne von Andreas Liebmann

Andreas Gabalier hat davor nicht zurückgeschreckt. Auch nicht Boney M. Letztere natürlich auf Englisch, da hieß es "Darkness is falling"; Ersterer im Original. Man muss wohl zu seiner Verteidigung betonen, dass das gerade an bayerischen Grundschulen beliebte Weihnachtslied "Es wird scho glei dumpa", um das es hier geht, tatsächlich ein österreichisches ist. Deshalb darf es Gabalier ungestraft vertonen. Trotzdem hatten unsere alpinen Nachbarn bislang nichts dagegen, wenn ihr Lied auch nördlich der Alpen geträllert wird, ganz gleich ob auf Englisch, Bairisch oder sogar Hochdeutsch. Allerhöchstens musste man für die Notenblätter etwas Maut nachzahlen. Wenn also zum Beispiel die Hoaschdenger Buam mal ihr Gesangsrepertoire erweitern wollen: nur zu, kein Problem!

Ehe nun kürzlich zugereiste Leser frustriert ihre Zeitung zerknüllen und als Kaminanzünder verwenden (Nutzern mobiler Endgeräte sei davon dringend abgeraten, alle anderen können das später immer noch tun), empfehlen sich an dieser Stelle womöglich zwei erhellende Anmerkungen. Erstens: Hoaschdeng nennen Eingeborene den Kirchheimer Ortsteil Heimstetten, die Buam (Buben) sind Anhänger des dortigen Sportvereins, speziell seiner Fußballer. Zweitens: Nein, Dumpa ist nicht der fliegende Elefant. Wer wissen möchte, was dumpa wirklich bedeutet, muss abends mal zu einem Flutlichtspiel des SV Heimstetten fahren.

Man müsste nun annehmen, dieses Linksaußen käme etwas spät. Weil das Flutlicht im Sportpark zwar jahrelang so beschaffen war, dass Fans bei Abendspielen Kerzen aufstellten, um das Geschehen besser zu sehen (was gerade im Advent stimmungsvoll war); dass sie die Tore auf der Suche nach dem Schützen gerne mit gezückten Feuerzeugen feierten; und dass ambitionierte Sportfotografen ihre Kameras mangels Licht schon mal im Rucksack stecken ließen, stattdessen eine Staffelei aufklappten und im Licht einer Taschenlampe mit flottem Pinselstrich hübsche Ölgemälde für die Zeitung fertigten. Aber nun? Gibt es doch eine neue LED-Flutlichtanlage. Für vier Millionen Euro. Nur ist diese offenbar kein bisschen heller als das alte Flutlicht. Wo andernorts Insekten jämmerlich an Lichtverschmutzung zugrunde gehen, flattern über Heimstettens Platz Nachtfalter orientierungslos durch die Dunkelheit.

Aus Markt Schwaben kam in den vergangenen Wochen eine ganz andere Geschichte. Dort, wo unter anderem der einstige Bayernligist FC Falke zu Hause ist, der inzwischen in der Kreisklasse gegen den Abstieg kämpft, waren sie immer stolz auf eine fernsehtaugliche Flutlichtanlage. In diesem Jahr allerdings hatte sich auf einem der Masten ein Storchenpaar niedergelassen. Zu Besuch waren die Störche dort häufig, ab und an segelte mal einer über den Rasen und wunderte sich. Nun aber war das Paar umgezogen vom Dach des alten Schulhauses mitten ins Stadion und hatte auf dem Flutlichtmast neben dem Kampfrichterturm ein neues Nest gebaut. Als die Verantwortlichen die neuen Untermieter bemerkten, war es bereits zu spät. Das Nest war fertig, und hätte man das Flutlicht eingeschaltet, wäre es wegen der Hitze in Flammen aufgegangen. Also rückten fortan Ehrenamtliche des Technischen Hilfswerks zu jedem Abendspiel an, stellten ihre mobile Flutlichtanlage auf und beleuchteten auf diese storchenfreundliche Weise insgesamt 17 Fußballspiele.

Nun haben sie Winterpause. Die Spieler, die Helfer und die Störche. Gerüchten zufolge war ihr provisorisches Licht heller als das feste in Heimstetten (dessen Fußballer nun ebenfalls in die Winterpause gehen). Aber Vorsicht: Bald wird auch der Markt Schwabener Sportpark auf LED umgestellt. Die Störche jedenfalls sind bereits in den Süden gezogen. Viele Fußballer werden ihnen bald folgen. Auch sie pflegen sich alle in südlichen Gefilden in Trainingslagern zu versammeln, ehe es im Frühjahr wieder ernst wird. Wobei die Störche bis Afrika, die Fußballer oft nur bis in die Türkei kommen. Vielleicht wird es sogar den Münchner Löwen noch gelingen, genügend Geld dafür aufzutreiben.

Folgende Zeilen drängen sich auf:

"Es war'n die Störche oft zu beneiden / heit fliag i no vü weida fort..."

Nein, nicht von Gabalier. Aber auch aus Österreich.

© SZ vom 02.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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