Liebeskummerpraxis in München:Die Gefühlsdoktorin

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Tränen auf der Couch: Regine Sennefelder betreibt eine Liebeskummerpraxis in München und will denjenigen helfen, die die Liebe krank gemacht hat.

Lisa Sonnabend

Regine Sennefelder war die dritte Frau, die die Gefühle von Klaus Weiler (Name geändert) durcheinander wirbelte. Monatelang konnte Weiler sich nicht zwischen seiner Ehefrau und seiner Geliebten entscheiden. Bis zu dem Tag, als die Geliebte ihn verließ, sie hatte einen anderen. Für Weiler brach eine Welt zusammen. Zu diesem Zeitpunkt trat Regine Sennefelder in sein Leben.

Sennefelder will für Liebeskummerkranke mehr als die beste Freundin sein. (Foto: Foto: sonn)

Sennefelder betreibt in Großhadern eine Liebeskummerpraxis. Die 39-Jährige hilft Verlassenen, über den Schmerz und die Trauer hinwegzukommen. Als Weiler vor einem Monat das erste Mal zu Sennefelder in die Praxis kam, brach er nach wenigen Minuten in Tränen aus. Inzwischen geht es ihm besser. Er hat erkannt, dass die Beziehung zu seiner Ehefrau schon lange nicht mehr wirklich funktionierte, hat die Trennung von der Geliebten akzeptiert und steht nun weiter alleine - aber wieder selbstbewusster im Leben. "Bald ist er wieder reif für eine neue Beziehung", sagt Sennefelder.

Seit März bietet Sennefelder in ihrer Praxis nicht nur Bewerbungstrainings und Single-Coachings an, sondern auch Liebekummerberatung. In dem Raum im Erdgeschoss stehen zwei schwarze Ledersofas, die Wände sind in einem hellen Braunton bemalt. Auf einem Podest steht eine Buddha-Figur, auf dem Couchtisch liegt eine Schale mit Schokoladenstückchen in Herzform und an einer Wand hängen ein Hochzeitsfoto von Sennefelders Großeltern und ein Bild von ihren Urgroßeltern in festlicher Kleidung.

Durch die Terrassentür blickt man auf den kleinen Garten. Die Praxis liegt ruhig in der Waldgartenstraße, im Stockwerk darüber wohnt Sennefelder mit ihren beiden Kindern. Nur wenige Schritte entfernt beginnt der Forstenrieder Park, in dem zahlreiche Paare Arm in Arm spazieren gehen.

"Meine Aufgabe ist es, den Menschen wieder zu stärken", sagt Sennefelder. "Sie sollen ihr Selbstwertgefühl zurückbekommen und bereit sein, wieder eine neue Beziehung einzugehen." In der ersten Sitzung lässt Sennefelder die Klienten ihre derzeitige Situation im Bereich Liebe, Freunde, Beruf, Hobby, Gesundheit und Wünsche bewerten. "Oft wird schnell klar, dass sie nicht nur an Liebeskummer leiden, sondern dass auch andere Gründe zur Niedergeschlagenheit beitragen", sagt die Therapeutin. Die weiteren Treffen laufen dann sehr individuell ab. Sennefelder sieht sich nicht als beste Freundin der Liebeskummerkranken. "Eine Freundin ist immer parteiisch", sagt sie. "Und hilft deswegen bei der Aufarbeitung meist nicht weiter."

80 Euro kostet eine Therapiestunde bei der Liebeskummer-Therapeutin, für Studenten und Bedürftige gibt es Rabatt. Auf ihrer Homepage gibt Sennefelder ihre Telefonnummer an und schreibt, sie sei sieben Tage die Woche von 8 bis 22 Uhr erreichbar . Liebeskummer kann einen schließlich unerwartet und auch am Wochenende treffen.

Single trotz Speed-Dating

Sennefelder therapiert nach den Ansätzen von Silvia Fauck, die in Berlin und Hamburg eine Liebeskummerpraxis leitet und zwei Ratgeber über Liebeskummer verfasst hat. Die Praxis in München ist die erste, die nicht von Fauck selbst betrieben wird. Hat München, die Stadt der Singles, eine Liebeskummerpraxis besonders nötig? Kann Sennefelder womöglich helfen, eine Stadt zu therapieren, in der es oft mehr zählt, den Schein aufrecht zu erhalten, als sein Sein zu offenbaren?

"Ein Blick in meinen Freundeskreis hat mir gleich gezeigt, dass hier Bedarf ist", sagt Sennefelder. Ihre Bekannten würden es mit Speed-Dating und bei Internetplattformen wie Münchner Singles versuchen, doch niemanden finden, der ihnen gefällt. "Meist steckt bei solchen Fällen eine unverarbeitete Beziehung dahinter", sagt Sennefelder. Und dann ist sie gefragt.

Sennefelder hat einen festen Partner, von ihrem Ehemann lebt sie seit eineinhalb Jahren getrennt. Doch die Trennung verlief ohne Probleme. Das letzte Mal hatte sie vor 13 Jahren Liebeskummer - so stark, dass sie Berlin verließ und nach München "flüchtete", wie Sennefelder sagt. "Damals hätte ich eine Liebeskummerpraxis gut gebrauchen können."

Manchmal ist der Liebeskummer der Klienten so stark, dass diese nicht mehr essen, schlafen und arbeiten können. Dann schickt Sennefelder sie zum Arzt. Denn Liebeskummer kann sich zu einer ernsthaften Krankheit entwickeln. In schlimmen Fällen drohen Panikattacken, Magengeschwüre oder ein Herzinfarkt. Andere Länder nehmen Liebeskummer deswegen auch ernster. In Japan haben Arbeitnehmer das Recht, bei Liebeskummer frei zu nehmen. In Deutschland dagegen gibt sich im Geschäftsleben kaum einer die Blöße, zuzugeben, dass er gerade verlassen wurde.

In München droht nun erst einmal der Frühling - die Hochsaison für Liebeskummer. Beziehungen gehen in dieser Jahreszeit häufig in die Brüche, weil ein Partner Frühlingsgefühle bekommt und sich neu verliebt, sagt Sennefelder. "Und den Anblick von eng umschlungenen Pärchen ertragen viele unglücklich Verliebten nicht."

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