Lerchenau:Der Schreck sitzt tief

Lesezeit: 3 min

Die Anwohner der Schittgablerstraße in der Lerchenau sollen sich im Einzelfall mit bis zu 130 000 Euro an der Sanierung der Trasse beteiligen. Begründung der Stadt: Es handelt es sich um die erstmalige Herstellung der Straße

Von Simon Schramm, Lerchenau

Peter Wasmeier ist froh, dass die Schittgablerstraße saniert werden soll. "Durch den jahrelangen Schwerlastverkehr ist die Straße in schlechtem Zustand. Es wäre schön, wenn man auf einem Gehweg zum Bus gehen könnte", sagt der Ingenieur, der seit fünf Jahren mit seiner Familie in einer Seitenstraße der Trasse wohnt, dem Löwenzahnweg. Vor fünf Jahren war Wasmeier davon ausgegangen, als Anlieger nur zu einem kleinen Teil an dem Ausbau beteiligt zu werden. Um so überraschter war Wasmeier, als er die Information des Baureferates erhielt, dass die Kosten zum Hauptteil von den Anliegern getragen werden: Laut der Stadt handelt es sich um die erstmalige Herstellung der Straße. "Da denkt man sich erst: Oho, wieviel muss ich jetzt zahlen." Im Schreiben stehen zwei Zahlen: Die Gesamtkosten: 1,55 Millionen Euro; Wasmeiers Anteil: 5500 Euro.

Nicht nur Familie Wasmeier war Ende Januar geschockt: Etwa 40 bis 60 Anlieger der Schittgablerstraße - so viele, schätzen die Bewohner - haben die Vorinformation für die zu erwartenden Kosten der Herstellung der Straße im Abschnitt bis zum Löwenzahnweg erhalten. Die Gesamtsumme wird je nach Größe und Nutzung der Grundstücke auf die Anlieger verteilt. Der Posten von Peter Wasmeier liegt im niedrigeren Bereich, manche Bürger sollen sich auf fünfstellige Summen einstellen, im extremen Fällen wird Anliegern sogar ein Betrag von 99 000 oder 130 000 Euro vorausgesagt. Das Baureferat betont, dass die Vorabinformation einen Kostenrahmen angibt und nicht die endgültigen Beträge. Rainer Schmitt, Jurist beim Eigenheimerverband Bayern: "In dieser Größenordnung haben wir das noch nicht erlebt, jedenfalls nicht bei unseren Mitgliedern." Schmitt berät einen Teil der Betroffenen und glaubt, die hohen Beträge seien entstanden, weil bei einer kurzen Straße die Kosten auf relativ wenige Anlieger verteilt würden.

Die Lerchenauer sind nicht gegen den Ausbau, der lange gefordert wurde, wollen aber die hohen Beträge nicht hinnehmen. Nach einem Besuch vieler Bewohner im Bezirksausschuss hat das Gremium das Baureferat gebeten, die Bewohner bei einer Infoveranstaltung aufzuklären. Eine Hoffnung der Bewohner: Kostensenkung, indem etwa ein günstiger Belag benutzt wird. Das Baureferat teilte mit, dass eine Infoveranstaltung bei Erschließungsmaßnahmen nicht vorgesehen sei. Und dem Bezirksausschuss-Vorsitzenden Markus Auerbach (SPD) beschied das Baureferat, dass Baustopp oder Planungsänderungen wegen bereits erfolgter Auftragserteilung nicht möglich seien. Eine Diskussion über die Art des Ausbaus sei nicht zielführend, da der gewählte Ausbauzustand dem üblichen Münchner Standard entspreche.

Eine schlechte Piste: Der Zustand der Schittgablerstraße in der Lerchenau ist ohne Zweifel desolat. Nun ist die Sanierung geplant. (Foto: Florian Peljak)

Der Plan sieht unter anderem vor, Geh- und Fahrweg zu trennen und Bäume zu pflanzen. Ein Blick in die öffentlichen Unterlagen des Projektes zeigt, dass sich die finanzielle Belastung für die Bürger angekündigt hat: Beim Beschluss zum Ausbau der Straße im Jahr 2011 setzte der Bauausschuss die Kosten mit etwa einer Million Euro an und erwähnte, dass die Maßnahme "erschließungsbeitragsfähig" sei. Zur Projektgenehmigung im Jahr 2014 wurden die Kosten wegen Altlastenentfernung auf 1,45 Millionen erhöht: Nahezu auf der gesamten Trassenlänge sei teerhaltiges Material im Oberbau und kontaminiertes Material im Unterbau vorgefunden worden. Kostenvoranschlag: 210 000 Euro. Das Baureferat sagt, es könne erst nach Freilegung des Materials beurteilt werden, welche Kosten in welcher Höhe auf die Anlieger umgelegt werden. Könnten sie nicht umgelegt werden, würden sie aus dem Aufwand für die Anlieger herausgerechnet.

Auch Peter Wasmeier hat nach eigenen Recherchen noch Fragen. Für den strittigsten Punkt hält er: "Welche Grundstücke lässt die Stadt außen vor?" Ein Grünstreifen an der Straße, als Außenbereich markiert, werde nicht beteiligt: "Aber die Stadt kann das ändern, irgendwann will sie dort auch sicher bauen." Auch die südlich angrenzende, private Grünanlage zur öffentlichen Nutzung müsse beteiligt werden, was bei Grünanlagen normalerweise nicht geht. Wasmeier verweist auf den sogenannten Halbteilungsgrundsatz. Der besagt, dass bei nur einseitig bebaubaren Straßen die Kosten halbiert werden, hat aber viele Ausnahmen, wie Eigenheimerverband-Jurist Schmitt weiß. "Die Erschließung der Grünfläche liegt auch im öffentlichen Interesse", sagt Wasmeier, "dort wird ein Weg zu der künftigen Unterführung unter den Bahngleisen in Richtung der U-Bahn-Station gebaut." Laut Baureferat würde bei Abrechnung der Maßnahme auch überprüft, ob dieser Faktor einfließt.

In dem Schreiben an die Anlieger werden die Gesamtkosten mit 1,55 Millionen Euro beziffert. Die Erhöhung ergibt sich laut Baureferat aus den Kosten für Straßengrunderwerb von zirka 85 000 Euro, der Gesamtaufwand sei aufgerundet. Laut dem Projekthandbuch von 2014 war ein Grunderwerb nicht erforderlich. Anlieger Wasmeier stört auch die Intransparenz über die Aufwandskosten, die Frage, wie die Summe zustande kommt, und wie genau der jeweilige Anteil eines Bewohners berechnet wurde.

Im Herbst soll die Straße fertig sein, laut Baureferat sind keine Vorleistungsbeträge geplant. Fällig würden die Beträge nach Abschluss und Abrechnung der Maßnahmen, die dauere zwei bis vier Jahre. Die Anlieger erhalten dann den Bescheid, der innerhalb von vier Wochen bezahlt werden muss. Das Kassen- und Steueramt kann bei Fällen "erheblicher Härte" Stundung oder Ratenzahlung gewähren. Gerichtlich können die Lerchenauer Bürger erst vorgehen, wenn der Bescheid da ist.

Wasmeier glaubt, dass dies nicht der letzte Konflikt im Viertel sein könnte: "Es gibt in der Lerchenau weitere Straßen, die eventuell nicht ersterschlossen sind."

© SZ vom 02.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: