Lebensretter geehrt:Hilfe im letzten Augenblick

Sie haben ein Inferno an der Tankstelle verhindert, andere vor einem wildgewordenen Stier gerettet oder betrunkene Schläger zurückgehalten: Ministerpräsident Horst Seehofer hat im Antiquarium der Münchner Residenz mehr als 100 Lebensretter geehrt - sechs Helfer im Kurzporträt.

1 / 6
(Foto: Catherina Hess)

Sie haben ein Inferno an der Tankstelle verhindert, andere vor einem wildgewordenen Stier gerettet oder betrunkene Schläger zurückgehalten: Ministerpräsident Horst Seehofer hat im Antiquarium der Münchner Residenz mehr als 100 Lebensretter geehrt - sechs Helfer im Kurzporträt. Der elfjährige Matthias Bernhard aus Sulzberg im Oberallgäu reicht den meisten Erwachsenen zwar nur bis zum Bauchnabel, aber er hat bereits Großes geleistet: Am Montag wurde er im Antiquarium der Münchner Residenz von Ministerpräsident Horst Seehofer als Bayerns jüngster Lebensretter mit der Christophorus-Medaille ausgezeichnet. "Wahre Größe zeigt ein Mensch, wenn er Verantwortung übernimmt", sagte Seehofer - und würdigte damit nicht nur den elfjährigen Buben, sondern auch weitere 43 Männer, Frauen und Jugendliche, denen er ebenfalls eine Christophorus-Medaille verlieh. Die bekommt, wer einen Menschen unter besonders schwierigen Umständen rettet. Weitere 80 Lebensretter, die bei ihrem Hilfseinsatz gar ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, wurden mit der Bayerischen Rettungsmedaille ausgezeichnet. Die schönste Belohnung bekam Matthias aber bereits 2008 - indem er seiner Mutter das Leben rettete. Deren Herz hatte plötzlich zu schlagen aufgehört. Der Bub merkte das sofort, rannte zur Nachbarin, die gerade noch rechtzeitig ein Rettungsteam informieren konnte. Im normalen Leben ist der kleine Held das, was man in Bayern einen "Lausbua" nennt. "Aber in Krisensituationen, da ist er voll da", sagt seine stolze Mutter.  

2 / 6
(Foto: Catherina Hess)

Für Ministerpräsident Horst Seehofer waren die drei Polizisten Norbert Reller, Karen Michelke und Petra Chlupova-Stanek sowie der Feuerwehrmann Michael Lanio schlicht und einfach "die Vier von der Tankstelle". Diese Bemerkung kommentierte der erfahrene Dienststellenleiter Reller gut eine Stunde später so: "Der Heinz-Rühmann-Film war doch etwas lustiger als unser Einsatz." Was er und die anderen erlebt hatten, hätte eher Stoff für einen Horrorfilm geliefert. Sie wurden gerufen, weil sich an einer Tankstelle im oberbayerischen Tutzing ein verzweifelter Mann mit Benzin übergossen hatte und nun - mit einem Feuerzeug in jeder Hand - drohte, sich selbst anzuzünden und ein Inferno zu veranstalten. Unterstützt von Feuerwehrmann Michael Lanio konnten Petra Chlupova-Stanek und Karen Michelke den am ganzen Körper zitternden Mann in ein Gespräch verwickeln. Doch sobald sie sich zu nähern versuchten, schrie er: "ch zünde euch alle an." Dass diese Drohung ernst gemeint war, erkannte Einsatzleiter Reller sofort. Als sich der Mann kurz bückte, stürzte er sich beherzt auf ihn und warf ihn zu Boden. Die beiden Polizistinnen ergriffen die Gelegenheit, ihm die Feuerzeuge aus den Händen zu reißen - klarer Fall für eine Lebensrettungsmedaille.

3 / 6
(Foto: Catherina Hess)

Marion Winter aus Arnstorf im Kreis Rottal-Inn hatte ein ungutes Gefühl, als sie auf die Koppel unweit des Hauses blickte. Dort war gerade ihr Lebensgefährte Lutz Wudke dabei, den Stier "Theo" mit der Leine von der Weide zu führen. Zwar hatten sie und ihr Partner das mittlerweile 400 Kilogramm schwere Tier selbst aufgezogen, doch in jenem Augenblick, in dem Wudke die Leine aus der Hand glitt und er sich danach bückte, war es vorbei: Der Stier nahm Anlauf und katapultierte den 43-jährigen Veterinäringenieur mit seinen Hörnern durch die Luft. "In diesem Augenblick dachte ich, jetzt ist alles vorbei", sagt Wudke, der als Kind mit eigenen Augen erlebt hat, dass solche Konfrontationen zwischen Stier und Mensch tragisch enden können. Zwar gelang es ihm, den Stier an den Hörnern zu packen, doch das nutzte nicht viel. Das Tier schob ihn bedrohlich auf den Zaun zu. Dann kam Wudke eine rettende Idee: Er ließ ein Horn los, griff Theo ins Auge. Das Tier stoppte, drohte ihn aber nun mit seinem Gewicht zu erdrücken. Zum Glück erreichte Marion Winter in diesem Augenblick die Wiese. Sie ergriff eine Eisenstange und brachte das rasende Tier mit wuchtigen Hieben von ihrem Partner ab. Dafür erhielt sie jetzt die Lebensrettungsmedaille.

4 / 6
(Foto: Catherina Hess)

Als ein aggressiver und offensichtlich betrunkener Fremder ihn in der Münchner Innenstadt anrempelte, reagierte Sascha C. Falk Mrotzek nicht. Er hatte beobachtet, wie der Betrunkene zuvor mit der Faust gegen einen Torbogen geschlagen hatte, und wollte eine Eskalation vermeiden. Doch als der 35-Jährige aus Deisenhofen im Landkreis München sah, dass der Betrunkene eine Ecke weiter einen schmächtigen Passanten anpöbelte, drehte Mrotzek um und lief ihm hinterher. ,,Ich kam gerade rechtzeitig: Der Täter hatte dem Mann schon ins Gesicht geschlagen und ihn zu Boden gerungen. Das Opfer lag in einer Blutlache. Der Angreifer wollte gerade zu einem Tritt ausholen, womöglich auf den Kopf, als ich ihn zur Seite schubste'', sagt er. Als es zum Prozess vor dem Amtsgericht kam, bedankte sich der Angegriffene bei seinem Retter. "Das war sehr rührend", erinnert sich Mrotzek. Doch neben der Freude über die Dankbarkeit des Geretteten und über die Christophorus-Medaille empfindet er noch heute einen "Schrecken über diese Gewaltbereitschaft" und Ärger darüber, dass der Täter nie belangt wurde. Denn bevor es zur zweiten Verhandlung vor dem Landgericht kam, gelang es dem Täter, aus Deutschland zu verschwinden.

5 / 6
(Foto: Catherina Hess)

Alles sah nach einem Traumurlaub aus, als Johanna Ackermann aus Bernhardswald im Kreis Regensburg im März 2010 mit ihrer Schwester Ingrid in Mallorca eintraf - doch dann kam alles ganz anders. "Mich hatte der Teufel geritten, als ich bei einem Spaziergang plötzlich die Felstreppe entdeckte und hinunter zum Meer steigen wollte", sagt die heute 60-jährige Ingrid. Was dann geschah, kennt sie nur aus den Erzählungen der Schwester Johanna. Plötzlich fiel sie kopfüber die Stufen hinunter, schlug mehrmals mit dem Kopf auf dem Felsen auf. Dieses Geräusch hat Johanna Ackermann heute noch im Ohr. Später stellten die Ärzte bei ihrer Schwester zwei Schädelbrüche fest, und eine der gebrochenen Rippen hatte sich in die Lunge gebohrt. Johanna Ackermann träumt immer noch vom Anblick, als ihre Schwester kopfunter im Wasser trieb. Unter Lebensgefahr kletterte sie die glitschige Klippe herunter und konnte ihre Schwester an Land ziehen und kurz darauf auch Hilfe holen. "Zunächst hatte ich gedacht, jetzt habe ich keine Schwester mehr, jetzt ist sie tot", sagt sie kurz nach der Verleihung der Rettungsmedaille, den Tränen nahe. Von einigen anderen Ausgezeichneten hatte sie erfahren, wie oft Schaulustige die Retter alleingelassen hatten.

6 / 6
(Foto: Catherina Hess)

Ein entspanntes Barbecue im Bekanntenkreis endete brenzlig für Dieter Rosen. "Zwei Grills standen nebeneinander, ich grillte rechts, ein anderer Gast links. Er dachte, sein Grill würde im Gegensatz zu meinem noch nicht brennen. Also beugte er sich nach vorn und kippte etwas Spiritus darauf", erzählt der 49-Jährige. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sein Nachbar von der Brust aufwärts Feuer fing. Kleine Funken loderten auf seinem Oberkörper, in seinem Gesicht und seinen Haaren. Geistesgegenwärtig drückte Rosen sich gegen den brennenden Mann, um das Feuer zu ersticken. Da bemerkte er, dass sein eigener Fuß ebenfalls Feuer gefangen hatte, denn vor Schreck war seinem Bekannten die Spiritusflasche aus der Hand gefallen, und die brennbare Flüssigkeit hatte sich über Rosens Schuh ergossen. Deshalb warf der Retter sich nun zusammen mit dem Mann, den er umklammer hielt, auf den Boden, um auch das Feuer an seinem Schuh zu ersticken. Die Rettungsaktion war erfolgreich, doch beide Männer erlitten Verbrennungen. "Meine hatte den Grad 2b. Die Narben sieht man noch heute", berichtet Rosen, der für seinen Einsatz die Christophorus-Medaille erhielt.

© SZ vom 24.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: