Zwei weitere Datenaffären:Patientenakten in der Mülltonne

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Fahrlässiger Umgang mit sensiblen Daten: Ein Münchner Arzt entsorgt Unterlagen samt Ernährungsprotokollen im Abfall. Und ein Direktor hängt die Krankendaten seiner Schüler aus.

B. Kastner und S. Wejsada

Mehrere Aktenordner mit vertraulichen Patienten-Unterlagen sind in München in einer Altpapiertonne gelandet. Sie stammen aus einer internistischen Praxis, die sie nicht wie vorgeschrieben geschreddert hat. Einer der Ordner enthält von rund 100, oft übergewichtigen Patienten detaillierte Angaben über ihre Ernährungsgewohnheiten, Alkoholkonsum inklusive.

Wie vertrauliche Akten bei der Entsorgung eigentlich aussehen sollten: geschreddert und für Dritte nicht mehr lesbar. (Foto: bug.bildextern)

Dazu finden sich weitere persönliche Details, von Name, Alter über Größe und Gewicht bis zur Krankenkasse, bisweilen auch Adressen, Telefonnummern und Krankheiten. Der Arzt erklärt die Panne damit, dass sein Schredder defekt gewesen sei.

Es ist dies ein weiterer Fall von sorglosem Umgang mit sensiblen Daten. Erst in dieser Woche war ein Leck in der Münchner Stadtverwaltung bekannt geworden: Das Kreisverwaltungsreferat hatte Umschläge mit Adressen Tausender Briefwähler an eine karitative Einrichtung des Jesuitenordens gegeben, die die Briefmarken ablösen wollte. Über Umwege landeten die Daten bei einem professionellen Adresshändler in Norddeutschland.

Zudem wurde ein Fall in Garching bekannt: Im dortigen Werner-Heisenberg-Gymnasium hängt im Vorzimmer des Direktors eine Liste mit chronischen Krankheiten und Allergien von Schülern - sie ist für Besucher einsehbar. Der Direktor sieht darin kein Problem. Es handele sich "um ein Dienstzimmer ohne Parteiverkehr", sagte er.

Solch fahrlässiger Umgang mit persönlichen Daten häufe sich, heißt es im Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht. Vor wenigen Wochen fanden sich auf einem Flohmarkt die Festplatten aus mehreren bayerischen Finanzämtern mit unzähligen Steuerdaten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt; ein Mitarbeiter soll für die Panne verantwortlich sein.

Wegen eines ähnlichen Falls bekam 2008 auch eine Münchner Uniklinik Ärger: Auf einer Computer-Festplatte waren sensible Daten von Psychiatriepatienten. Ende 2009 verschickte ein Steuerprüfer versehentlich die Gehaltsdaten der Münchner Stadtwerke-Chefs an zahlreiche Mitarbeiter, ebenfalls 2009 landeten in einer Münchner Bankfiliale vertrauliche Finanzpapiere in der Mülltonne.

Zu oft fehle die nötige Sensibilität im Umgang mit solchen Unterlagen, klagt Datenschützer Peter Meier vom Landesamt. Die Polizei warnt vor den Folgen solcher Datenlecks: Im Extremfall seien Erpressungen denkbar.

Alltag für die Kripo ist längst die Jagd nach Gaunern, die mit Daten unbekannter Herkunft im Internet auf Einkaufstour gehen. "Wenn ich eine echte Identität habe, kann ich weltweit Waren ordern", sagt Joseph Hintermayr, Chef des Kommissariats für Datenschutzdelikte in München. Leidtragende seien meist die Lieferanten, die PCs oder Flachbildschirme an einen vermeintlichen Kunden ausliefern und dann auf ihrer Rechnung sitzenbleiben.

Patienten haben einen Anspruch darauf, dass Unterlagen über ihre Behandlung vom Arzt vertraulich behandelt werden. Er unterliegt einer speziellen Schweigepflicht. Für einen Mediziner, der Patientenakten im Müll entsorgt, kann die zigfache Verletzung der Schweigepflicht nicht nur strafrechtliche Folgen haben. Ihm droht auch ein Verfahren vor dem Berufsgericht und eine Strafe von bis zu 50.000 Euro.

Selten seien solche Aktenfunde im Altpapier, heißt es bei der Bayerischen Ärztekammer, aber sie kämen eben doch vor. Vor allem bei Praxisauflösungen gelte manchmal das Motto: Hauptsache weg mit dem Zeug.

© SZ vom 19.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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