Wettbewerb:Autonomes Fahren im Kleinformat

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Im Kirchheimer Gymnasium treten 24 Studententeams mit ihren Modellautos an. Die Wagen sind selbst gebaut und programmiert - und extrem wendig und intelligent

Von Valérie Nowak, Kirchheim

Robin Zhao, 20, zieht seine Schuhe aus, auf Socken balanciert er sein Modellauto durch die Turnhalle des Kirchheimer Gymnasiums zur Startlinie, als würde er in einem Fünf-Sterne-Restaurant bedienen. Denn Technik ist empfindlich: Auf dem Auto ist eine Kamera montiert, es ist vollgespickt mit Sensoren. Zhao atmet tief ein und aus. 24 Teams verfolgen jeden seiner Schritte. Die Konkurrenz schläft nicht. "What a silence", kommentiert Flavio Stiffan die Spannung. Zhao kniet vor der Startlinie, um sein Auto auf die Strecke los zu lassen. "Speed is not the only score", moderiert Stiffan das Rennen an.

Jede Kurve muss ideal genommen werden, was angesichts des Tempos gar nicht so einfach ist. (Foto: Claus Schunk)

Bei der Qualifikation des NXP Cup in dieser Woche geht es längst nicht nur um Geschwindigkeit, sondern um Programmierleistung. Was hier in Kirchheim fährt, ist die Zukunft: autonomes Fahren, wenn auch in klein. Bei dem internationalen Wettbewerb treten Studententeams gegeneinander an, die ein intelligentes, vollständig autonom fahrendes Modellauto bauen und programmieren. Bis Anfang April kämpfen sie darum, sich für das Finale in Erlangen am Fraunhofer Institut zu qualifizieren: In Casablanca, Paris, Ostrava, Beirut, Bukarest und eben hier, in Kirchheim wollen mehr als 160 Teams den Sprung ins Finale schaffen.

Ausgefeilte Technik. (Foto: Claus Schunk)

Zhaos Auto startet auf der weißen Strecke, es muss zwischen den schwarzen Markierungen bis zum Ziel fahren. Etwas planlos steuert das Fahrzeug wie eine Bowlingkugel von links nach rechts. "Remain on the track and pass the line", ruft Flavio. Drei Versuche hat jedes Team, damit sein Auto die Ziellinie erreicht. Die erste Kurve sitzt. "Three wheels out is ok - four out: Game Over", erinnert Stiffan an die Regeln: Erst wenn alle vier Reifen aus der Spur sind, ist es vorbei. Jetzt schlängelt sich die Fahrbahn hin und her, Zhaos Auto hält durch - zack. Die nächste enge Kurve wird zum Verhängnis: Das Auto steuert unkontrolliert durch die Turnhalle, schon biegt es auf den Markierungen der Sportfelder ab, der 20-Jährige spurtet hinter her, um es wieder einzufangen. Beim nächsten Versuch schlängelt das Auto auf die schwierige Kurve zu, doch diesmal bleibt es auf der Bahn, die Ziellinie schon in Sichtweite - und damit auch den Traum vom Finale. Die Studenten johlen und klatschen, einer schwenkt eine kleine Bayernfahne.

Betreuerin Kathleen Schubert mit den kleinen, selbstfahrenden Modellflitzern, auf denen Kameras montiert sind und die über eine Vielzahl von Sensoren verfügen. (Foto: Claus Schunk)

Die "Koala Racers" der Hochschule Landshut haben es im Vorjahr geschafft: Sie wurden Europameister. Auf dem Erfolg wollen die Nachfolger des Teams aufbauen: Georg Zieglmaier und Benedikt Forstner, beide 21, haben das Team übernommen. Mit dabei ist Michael Fink, 25, der 2018 mit dem "Koala Racer" Europameister wurde. Die Vorrunde am Morgen läuft nicht gut, sie können bei den Spezialtests bisher keinen Punkt holen: Wie viele Achter fährt das Auto in 90 Sekunden? Schafft es das Auto, bei einem Zebrastreifen abzubremsen und beim nächsten Muster Gas zu geben? Jetzt hängt alles von ihrer Zeit im Rennen ab. Sie sind als eines der letzten Teams am Start.

Der Underdog der Vorrunde ist das Team "GRKBrain", das aus Kosovo von der Universität "Hasan Prishtina" angereist sind. Die zwei Studenten Getoar Ramadani und Edison Telaky sind die einzigen, die mit ihrem Professor da sind: Lavdim Kurtaj fällt auf, er ist deutlich älter als die Studenten um ihn herum, aus seinem Mund blitzt ein goldener Schneidezahn hervor. Während des ganzen Rennens notiert er sorgfältig die Zeiten der Konkurrenz.

Endlich sind die "Koala Racers" am Start, Benedikt Forstner bringt das Auto zur Startlinie. "Stell ihn auf acht!", ruft ihm sein Kollege zu. Acht bedeutet Risiko. Es ist die höchste Stufe, das Auto fährt sehr schnell, kann aber auch leichter aus der Bahn ausbrechen. Ihr Auto zieht an, schlängelt sich durch die Kurve. Kaum hat das Auto die Ziellinie überquert, fährt es ruckartig zurück. Perfekt geparkt steht es hinter dem Ziel. Die Konkurrenz ist begeistert, Pfiffe ertönen. Die "Koala Racers" sind die ersten und einzigen, die hinter der Linie zum Stehen kommen und keine Zeitstrafe bekommen. Mit 350 Punkten sind sie eines der drei Teams, die ins Finale einziehen. Zweiter wird das "K-Team" von der Universität Deggendorf.

Auch Ramadani vom Team "GRKBrain" freut sich: Das Auftunen ihres Modellautos hat sich gelohnt. Mit 1000 Punkten liegen sie mit Abstand vor allen anderen Teams. Ihr Geheimnis: Ihre Kamera passt sich der Helligkeit genauer an. Außerdem modifizierten sie den Servo von NXP, um alles unter eigene Kontrolle zu bringen. "Your score is very high, there is only one more team from Switzerland that scored 1000", kündigt Stiffan den Showdown beim Finale mit einem Schweizer Team in Erlangen an. Getoar ist gelassen, er füllt gerade die Formulare für das Finale aus: "I don't think that's a problem", sagt der 24-Jährige. Und er grinst. Das wird für ihr Team wohl kein Problem.

© SZ vom 30.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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