Wahlbeobachter:Arbeit und Familie soll vereinbar sein

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Elaha Damani. (Foto: privat)

Elahe Damani aus Iran wünscht sich Verständnis für Alleinerziehende

Im Alter von 15 Jahren ist Elahe Damani mit ihrem damaligen Mann aus Iran geflüchtet und nach München gekommen. Hier machte sie ihren Hauptschulabschluss und begann eine Ausbildung zur Zahnmedizinischen Fachangestellten, die sie aus gesundheitlichen Gründen und wegen ihrer inzwischen sechs Jahre alten Tochter jedoch abbrechen musste. Im September wird die 22-Jährige eine Ausbildung zur Erzieherin beginnen, in der Kinderkrippe Einstein in Ottobrunn, die von der Iranerin Atefeh Naseri geleitet wird. Damani ist als Sunnitin aufgewachsen, fühlte sich aber schon bald zur evangelischen Kirche hingezogen und ist konvertiert. Sie lebt - inzwischen von ihrem Mann getrennt - mit ihrer Tochter in einem kirchlichen Jugendwohnheim.

Ich freue mich schon darauf, eines Tages in Deutschland wählen zu dürfen. Denn ich will hier bleiben. In Iran habe ich noch nie gewählt, wir waren immer gegen die Diktatur. Die Stimmen der Opposition verschwinden im Iran und daher wurde in meiner Stadt im Südiran kaum Wahlkampf geführt. Mein Onkel ist strenggläubiger Sunnit. Für ihn gibt seine Religion die Lebenslinie vor. Er hat bis heute nicht akzeptiert, dass ich in Europa bin. Würde ich in mein Heimatland zurückkehren, wo meine Mutter und meine drei Brüder leben, wäre ich in Todesgefahr. Egal, wohin ich im Iran gehen würde, mein Onkel und seine Glaubensbrüder fänden mich, weil sie überall ihre Leute haben.

Wählen würde ich nur eine demokratische Partei, am ehesten die SPD. Denn ich und viele andere Flüchtlinge haben die Sorge, dass die guten Möglichkeiten für Flüchtlinge, etwa Schulbesuch und Arbeit, schwieriger werden, wenn die AfD zu viele Stimmen gewinnt und dann wieder neue Regeln das Leben für uns erschweren. Ich will mich für alleinerziehende Mütter einsetzen. Ich weiß, wie es sich anfühlt, immer wieder Freundinnen bitten zu müssen, das Kind vom Kindergarten abzuholen, weil man noch arbeiten muss. Ich will ja arbeiten, um Geld für unseren Lebensunterhalt zu verdienen, aber ich will mich auch um meine Tochter kümmern. Beides muss möglich sein.

Wünschen würde ich mir von der neuen Bundesregierung, dass Arbeitgeber mehr Verständnis für Alleinerziehende aufbringen und sie rechtzeitig von der Arbeit nach Hause gehen können, weil sie sich um ihr Kind kümmern möchten. Es sollte auch mehr familiengerechte Arbeitsmöglichkeiten geben. Wichtig wäre zum Beispiel auch, dass es Deutschkurse gibt, die nur drei Mal in der Woche stattfinden, weil Flüchtlingsmütter nicht an sechs Tagen in der Woche Deutsch lernen können, wenn ihre Familie sie braucht.

Fast ein Fünftel der Bevölkerung im Landkreis München sind keine deutschen Staatsbürger. Viele dieser Menschen leben schon lange hier, zahlen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Doch selbst wenn sie EU-Bürger sind, dürfen sie in Deutschland auf nationaler Ebene nicht wählen. An dieser Stelle erzählen in den nächsten Wochen einige von ihnen, wie sie auf die Bundestagswahl blicken.

© SZ vom 23.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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