Verhandlung vor dem Landgericht:Brutaler Raub in der U-Bahn

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Er soll sein Opfer mit Fuß, Faust und Knie traktiert haben. Vor Gericht will sich der Angeklagte an den Überfall nicht erinnern können. Doch eine Kamera zeichnete alles auf.

Andreas Salch

Als er das Bild eines schwarz bekleideten Mannes, aufgenommen von einer Überwachungskamera, in der Zeitung sah, erkannte sich Gökhan D. sofort. Da habe er erst gewusst, dass er der Unbekannte ist, nach dem die Polizei fieberhaft fahndet.

Der Azubi hatt die letzte U-Bahn verpasst - dann soll ihn der Angeklagte überfallen haben. (Foto: AP)

Gökhan D. soll in den frühen Morgenstunden des 9. Januar 2010 im U-Bahnhof Aidenbachstraße einen schlafenden Auszubildenden brutal zusammengetreten und ausgeraubt haben. Doch daran will er sich nicht erinnern können. Es komme immer wieder vor, dass er "Erinnerungslücken" habe. Bei ganz alltäglichen Dingen ebenso wie bei Straftaten, die er begangen habe, sagt der 22-Jährige, der sich seit Montag vor der 2. Strafkammer am Landgericht München I verantworten muss.

Es war um 3.40 Uhr, als Gökhan D. am Morgen jenes 9. Januar, einem Samstag, den U-Bahnhof an der Aidenbachstraße betrat. Als er den auf einer Bank schlafenden Marinus A. sah, lief er einige Zeit vor dem Azubi auf und ab, zog sich die Kapuze seines schwarzen Shirts über den Kopf und trat ohne Vorwarnung und mit voller Wucht zu.

Nicht weniger als vierzehn Mal traf er mit seinen Turnschuhen sein Opfer im Gesicht und am Kopf. Keiner konnte Marinus A. helfen, außer ihm und dem Angeklagten befand sich niemand auf dem Bahnsteig. Der angetrunkene Azubi hatte die letzte U-Bahn verpasst und war eingeschlafen.

Auf den Bildern der Überwachungskamera, die sich die Richter ansahen, ist zu erkennen, wie Marinus A., während er mit Fußtritten traktiert wird, langsam zu sich kommt und sich sogar aufrichtet. Gökhan D. entreißt ihm daraufhin sein Portemonnaie. Doch darin befanden sich nur noch ein paar Cent. Die Geldbörse und die Zigaretten seines Opfers nimmt der Angeklagte mit. Ehe er flieht, versetzt er dem Azubi einen Faustschlag und einen Stoß mit dem Knie ins Gesicht. Die Attacke dauerte drei Minuten.

Marinus A. sagt bei seiner Vernehmung, dass er sich nur noch vage an das Geschehen erinnern könne. Im Krankenhaus diagnostizierten Ärzte bei ihm unter anderem eine Gehirnerschütterung, eine Platzwunde am Hinterkopf, eine Fraktur der Vorder- und Seitenwand der linken Kieferhöhle. Außerdem waren sieben Zähen abgesplittert.

Wie er die Tat psychische verarbeitet habe, will Richter Norbert Riedmann wissen. Er schlage im Schlaf manchmal um sich, habe man ihm erzählt, antwortet der Azubi. Und mit U- und S-Bahn fahre er nur, "wenn es unbedingt notwendig ist". Gökhan D. hat seinem Opfer aus der Untersuchungshaft einen Brief geschrieben. Darin heißt es unter anderem: "Das war alles nicht meine Absicht. Ich hatte leider einen schrecklichen Blackout." Er sei psychisch krank und könne sich deshalb nicht mehr an die Tat erinnern. "Ich hoffe, das alles gut wird."

© SZ vom 10.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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