Verbundenheit:Der Stolz der Rumänen

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Cupsieger: Mihai Paduretu mit dem DVV-Pokal nach dem Finalerfolg 2013 als Trainer von Generali Haching gegen den Moerser SC. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Volleyballtrainer Mihai Paduretu lebt seit 1991 im Raum München, engagiert sich aber noch immer für seine Heimat

Von Stefan Galler, Unterhaching

Auf die Frage, ob er ein politischer Mensch sei, antwortet Mihai Paduretu zurückhaltend: "Gegen eine Diktatur zu kämpfen, bedeutet nicht zwangsläufig, dass man politisch ist." Der 52 Jahre alte Geschäftsführer des TSV Unterhaching und frühere rumänische Volleyball-Nationalspieler ist in Bukarest geboren, während des Schreckensregimes von Nicolae Ceaușescu aufgewachsen und nach der politischen Wende in Osteuropa 1991 nach Deutschland gekommen. Der Kontakt in seine Heimat ist nie abgerissen, politischer Mensch hin oder her, er verfolgt das Geschehen zwischen Karpaten, Donaudelta und Schwarzem Meer sehr interessiert, auch deshalb setzt Paduretu große Hoffnungen in die Europawahl am 26. Mai.

Schließlich hat Rumänien noch immer ein riesiges Korruptionsproblem, die Regierung der sozialdemokratischen PSD steht deshalb national wie international unter Druck: "Diese Wahlen werden ein bisschen unterschätzt, dabei sind sie in vielen Ländern ein Signal für die nächsten Parlamentswahlen", sagt der langjährige Unterhachinger Volleyballtrainer

Er hatte einst jenes Team geformt, das zwischen 2009 und 2013 viermal den DVV-Pokal holte. Nach dem Ausstieg des Hachinger Hauptsponsors 2014 zog sich Paduretu von der großen Bühne zurück. Seit zwei Jahren ist ein neues Projekt am Start: Gemeinsam mit dem österreichischen Dauermeister Hypo Tirol Innsbruck spielen die Unterhachinger nun unter dem Namen Hypo Tirol Alpenvolleys Haching wieder in der deutschen Bundesliga, Paduretu ist Sportdirektor.

Er hofft auf eine hohe Wahlbeteiligung in seinem Geburtsland, um den Populisten entgegenzuwirken. So ähnlich wie das in den Niederlanden bei der Parlamentswahl 2017 der Fall gewesen ist: "Damals haben über 90 Prozent dort gewählt und dazu beigetragen, dass die Rechtspopulisten nicht in die Regierung gekommen sind. Das kann auch in Rumänien ein riesiger Faktor sein, um die Linkspopulisten zu kontrollieren." Bei der letzten Wahl im Dezember 2016 seien 70 Prozent nicht zur Wahl gegangen, seither hätten die antidemokratischen Tendenzen der Regierung zugenommen. Der PSD-Parteivorsitzende Liviu Dragnea war bereits 2015 rechtskräftig wegen Wahlfälschung verurteilt worden. Dennoch hat er parteiintern immer noch das Sagen, die amtierende Ministerpräsidentin Viorica Dăncilă sei nicht mehr als eine "Marionette", betont Paduretu und teilt damit die Meinung der meisten ausländischen Beobachter. "Die Regierung kontrolliert 90 Prozent der Medien, vor allem das Fernsehen, das bei vielen älteren Menschen in den Dörfern die einzige Informationsquelle ist", sagt Paduretu. "Sie haben vor der Wahl viel versprochen und nichts davon gehalten." Die Bevölkerung leide unter den politischen Verhältnissen, sagt der Wahl-Unterhachinger, das habe man vor allem bei den Protesten 2017 gesehen, als 600 000 Menschen auf die Straße gegangen sind. Auch er war mit dabei: "Als ich über ein verlängertes Wochenende in Bukarest weilte, habe ich mich sofort angeschlossen."

Paduretu hält Rumänien trotz aller politischer Turbulenzen für ein "EU-Land", er vergleicht die Schönheit und Prosperität Transsylvaniens mit derjenigen Bayerns. "Dort ist man weiter als in den anderen Landesteilen." Insgesamt müsse sich das Land weiter stabilisieren, dann werde man Fuß fassen innerhalb der Staatengemeinschaft: "Alle Generationen haben immer viel mehr nach Westen als nach Osten geschaut. Die geografische Lage zwischen Russen, Ottomanen und Europa war nicht immer von Vorteil." Nach dem Krieg habe man zehn Jahre lang darauf gewartet, dass die Amerikaner kommen. Doch dann begann Ceaușescus grausame Herrschaft, die laut Paduretu bis heute nachwirkt: "Er und sein Geheimdienst Securitate haben eine ganze Generation von Intellektuellen eliminiert", sagt der TSV-Geschäftsführer.

Und diejenigen, die nicht dem Regime zum Opfer gefallen sind, haben nach dem Niedergang der Diktatur das Land verlassen: "Bis zu fünf Millionen Rumänen sind nach 1990 emigriert, sie hatten keine Hoffnung, dass es besser wird", sagt der 52-Jährige und meint damit auch sich selbst, der damals ins Münchner Umland kam, wo ihn der rumänische Volleyball-Trainer Stelian Moculescu, der 1972 während der Olympischen Spiele in München geflüchtet war, für den Bundesligisten ASV Dachau verpflichtete.

Dass es trotz aller Unwägbarkeiten dennoch 2004 mit dem rumänischen Nato-Beitritt und drei Jahre später mit der Eingliederung in die EU klappen sollte, empfand Paduretu als "Überraschung, ja sogar als Wunder". Und die Menschen seien immer noch stolz, jetzt dieser Gemeinschaft anzugehören: "Beim EU-Gipfel zuletzt in Hermannstadt sind Merkel und Juncker beinahe wie Rockstars empfangen worden, das haben die bestimmt lange nicht mehr erlebt."

Auch Paduretu ist sehr glücklich über die EU-Mitgliedschaft seines Vaterlandes, alleine schon wegen der problemlosen Reiserei: "Die Tickets sind nach dem Beitritt viel günstiger geworden, ich kann für 100 Euro nach Bukarest fliegen und brauche von Haus zu Haus nur etwa fünf Stunden." Etwa fünfmal im Jahr reist er mit seiner Frau Ofelia dorthin. Und auch wenn man in Rumänien den Euro noch nicht eingeführt hat, werde dort so gut wie alles mit der europäischen Einheitswährung abgerechnet, sagt Paduretu.

© SZ vom 18.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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