Filmstar:Rollenwechsel

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Mittlerweile ein echter Bayer: Castro Dkoyi Affum. (Foto: Florian Peljak)

Castro Dokyi Affum kam aus Ghana zum Studieren nach Unterschleißheim. Eine zufällige Begegnung bedeutete einen Schnitt in seinem Leben - in der "Griessnockerlaffäre" ist der 29-Jährige aktuell im Kino zu sehen

Von Lenja Hülsmann, Unterschleißheim

Mit ruhigen Schritten betritt Castro Dokyi Affum das Hotel. Er trägt ein blau-weiß-kariertes Hemd, dunkle Jeans, wirkt gelassen, kein bisschen gestresst. Ein Blick auf die Uhr verrät: Es ist 10.35 Uhr. Fünf Minuten zu spät. "Diese Pünktlichkeit, das ist der Wahnsinn. Das kann ich immer noch nicht so richtig", sagt er und lacht. "Das Zuspätkommen ist einfach in meinem Blut, eine unbewusste Programmierung sozusagen." Seit 2008 lebt Dokyi nun schon in Deutschland. Er kam aus Ghana zum Studieren nach Unterschleißheim - und wegen seiner Adoptivfamilie, sagt er.

Der 29-Jährige wirkt selbstbewusst, lehnt in einem der vielen braunen Ledersessel in der Lounge des Infinity Hotels in Unterschleißheim. Er begrüßt das Personal, checkt noch kurz die Nachrichten auf seinem Handy. Obwohl sein Deutsch mittlerweile beinahe perfekt ist, unterstützt Dokyi seine Worte mit Gesten und mit seiner Mimik. Mal reißt er die Augen auf, mal kneift er sie zusammen. Und immer wieder lacht er. Diese Ausstrahlung muss wohl auch Franziska Aigner aufgefallen sein.

Er ist als Fußballgott zu sehen

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Was war Ihre Reaktion, als Sie die erste Filmrolle bekommen haben?

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Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?

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(Foto: Florian Peljak)

Plan B, wenn es mal nicht klappt mit dem Schauspielern?

An diese Begegnung erinnert sich Dokyi genau. "Ich war damals erst zwei Tage in Deutschland und mit meiner Adoptiv-Mutter im Metropol Theater in München", erzählt er. Es waren keine Sitzplätze mehr frei und die deutsche Casting-Direktorin stand zufällig genau vor ihm. Sie habe ihn gefragt, ob er Schauspieler sei und ob er in einem ihrer Filme mitspielen möchte. Damals sprach Dokyi noch kein Wort Deutsch. Seine Adoptiv-Mutter musste übersetzen. Die vorgesehene Sprechrolle konnte Dokyi deshalb nicht übernehmen.

Dennoch hat er es geschafft. Mittlerweile ist Castro Dokyi Affum in zahlreichen TV-Produktionen und auch auf der Leinwand zu sehen - jüngst als Fußballgott Buengo vom FC Rot-Weiß Niederkaltenkirchen im bayerischen Heimatkrimi "Grießnockerlaffäre". Die Verfilmung des gleichnamigen Buches der Münchner Autorin Rita Falk läuft seit dem 3. August in deutschen Kinos. Es ist bereits der vierte Kinofilm der Buchreihe. 2011 bekam Dokyi seine erste Rolle in der Verfilmung von "Dampfnudelblues". In den weiteren drei Filmen war eine Rolle für ihn eigentlich gar nicht vorgesehen. Die Regisseure von Constantin Film haben ihm aber weitere kleine Auftritte ermöglicht.

"Ich lebe gerade meinen Traum. Endlich kann ich das machen, was mir wirklich Spaß macht", sagt Dokyi. Sein Studium der Pharmazeutischen Bioprozesstechnik an der TU in Freising habe er kurz vor der Abschlussprüfung "erfolgreich abgebrochen". Der Schauspieler zieht Luft durch seinen Mund ein, kneift die Augen zusammen und greift mit den Händen in die Luft. Er ärgert sich. Zwei Jahre ist das jetzt her. Heute kann er darüber lachen. "Vielleicht war die Entscheidung auch gut so. Das Schauspielern passt viel besser zu mir", erklärt der 29-Jährige.

In seine Filmrolle kann sich Dokyi gut hineinversetzen, auch wenn er viel üben musste. In "Grießnockerlaffäre" singt er im Fußballtrikot ein bayerisches Gstanzl. "Das ist ganz gegen den afrikanischen Rhythmus", erklärt der Schauspieler. Beim Gstanzl liege die Betonung auf der ersten, bei afrikanischen Gesängen jedoch auf der dritten Silbe. "Ich habe ständig geübt, im Auto, unter der Dusche. Der Dreh der Szene hat dann auch noch mal vier Stunden gedauert", erzählt der 29-Jährige. Er habe immer noch einen Ohrwurm, sagt er und fängt an zu singen: "Holladiridai, holladirio!". Castro Dokyi Affum lacht. "Das hat mir wirklich Spaß gemacht." Das Lied war eine gute Übung, um sich mit den Kinobesuchern während der Kinotour in Bayern unterhalten zu können. Perfekt klinge der Dialekt aber noch nicht. "Ich kann nur gebrochenes Bairisch", sagt Dokyi. Er strenge sich aber an.

Castro Dokyi Affum mit Autorin Rita Falk und jungen Fans. (Foto: Christian Endt)

"Ich identifiziere mich nicht über meine Hautfarbe."

Das Wort freilich benutze er zum Beispiel täglich. Grießnockerl habe er noch nie probiert. "Ich bin einfach nicht so der Suppenfan", gibt Dokyi zu. "Eigentlich stehe ich total auf bayerisches Essen, besonders auf Schweinsbraten", sagt er. Heute fühlt sich der Schauspieler aus Ghana sichtlich wohl in Bayern.

Aber das war nicht immer so. "Ich habe die Deutschen am Anfang als recht kalt empfunden", erinnert er sich an seine ersten Eindrücke. Viele seien aber schnell aufgetaut. Und noch etwas schätzt Dokyi an seinen neuen Mitmenschen: "Der Bayer sagt einfach das, was er meint. Das finde ich sehr angenehm."

Nach seiner ersten Rolle bei "Dampfnudelblues" 2011, für die Dokyi von seiner "Entdeckerin" Franziska Aigner vorgeschlagen wurde, war Dokyi nur noch bei einem Casting. Oft sind die Regisseure selbst auf ihn aufmerksam geworden. Seine vielen Rollen in verschiedenen bayerischen Krimiproduktionen wie im Krimi "Bierleichen" unterscheiden sich nicht besonders. Einmal spiele er einen Flüchtling, ein anderes Mal einen ausländischen Fußballspieler. "Ich bin der bayerische Neger", sagt er und lacht. Dass manche Rollen in Verbindung mit seiner Hautfarbe stehen, sei für ihn kein Problem. "Ich identifiziere mich nicht über meine Hautfarbe", erklärt er.

Durch Zufall und eigenen Fleiß hat es der Neubayer aus Ghana auf die deutschen Kinoleinwände geschafft. Aus eigener Erfahrung weiß er aber auch, dass das nur mit einem zweiten Standbein klappt. Er arbeitet als Fitnesstrainer, unter anderem im Infinity Hotel in Unterschleißheim. Im Oktober wird er das Fernstudium "Life Coaching" an der Hochschule für Gesundheit, Sport, Technik und Kunst in Ismaning beginnen. Eine finanzielle Grundlage sei wichtig, um im Casting man selbst bleiben zu können. "Der Regisseur merkt sofort, ob man aus Freude am Schauspielern kommt, oder weil Rechnungen bezahlt werden müssen. Und man muss den Job natürlich lieben", sagt er. Und das tut Castro Dokyi Affum, von ganzem Herzen.

© SZ vom 12.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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