Unterschleißheim:Der Fluch des guten Services

Lesezeit: 2 min

Über den E-Bürgerdialog können Unterschleißheimer Missstände an die Stadt melden. Weil das Angebot rege genutzt wird, muss die Rathausverwaltung jetzt das Personal aufstocken

Von Bernhard Lohr, Unterschleißheim

Wer sich in Unterschleißheim über kaputte Laternen oder lästige Dauerparker in seiner Straße ärgert, der kann mit ein paar Klicks die Stadt informieren, wo ihn der Schuh drückt. Der E-Bürgerdialog ermöglicht, über die Homepage sozusagen Arbeitsaufträge ans Rathaus zu schicken. Dort steht man mittlerweile ziemlich unter Druck, der Flut der Beschwerden Herr zu werden. Schließlich kann der Ärger bei Bürgern auch wachsen, wenn Abhilfe auf sich warten lässt. Die Verwaltung wünscht sich deshalb zusätzliches Personal. Doch im Stadtrat gab es Widerstand dagegen, im Ordnungsamt aufzustocken, während beim Sozialen gespart wird. Am Ende einigte man sich auf einen Kompromiss.

Die Zahl der Anträge und die Probleme im Bereich des Straßenverkehrsrechts seien in Unterschleißheim in den vergangnen Jahren "extrem gestiegen", heißt es aus dem Rathaus. Dies hat mit der regen Bautätigkeit zu tun und auch mit den gestiegenen Erwartungen. 2019 wurde circa 900 Anträge und Genehmigungen zu Wegesperrungen oder für Sondernutzungen registriert. Es galt Veranstaltungen zu genehmigen und Bürger zu beraten.

Besonders hoch war laut Rathausverwaltung aber die Belastung durch den E-Bürgerdialog. Etwa 1480 verschiedene Vorgänge laufen dort im Jahr auf, was alleine einen Mitarbeiter in Vollzeit auslasten würde. Deshalb komme man nicht mehr hinterher, alles wie gewünscht zu kontrollieren und zu überwachen, wie zum Beispiel das Abstellen von Wohnwagen, Anhängern und Wohnmobilen. Drei Viertel der Beschwerden richteten sich auf diesen Bereich.

Deshalb sollte im Bauamt, wo etwas ungewöhnlich die Straßenverkehrsbehörde angesiedelt ist, im kommenden Jahr eine weitere Stelle geschaffen werden. Nur so könne es gelingen, gegen die widerrechtlich abgestellten Wohnwagen, Wohnmobile und Anhänger vorzugehen. Schließlich müsse innerhalb von zwei Wochen lückenlos überwacht werden, um festzustellen, ob ein Anhänger bewegt worden sei. Erst dann könne dieser entfernt werden. Auch die Baustellenüberwachung und der zügige Breitbandausbau hänge an der Stelle. So plant die Deutsche Telekom in den nächsten Jahren den Ausbau Unterschleißheims mit Glasfaser bis ins Haus. Ein Sacharbeiter müsste alleine dafür abgestellt werden, um die notwendigen Genehmigungen für die Verlegungsarbeiten in den Straßen so zügig abzuarbeiten, wie das von dem Unternehmen gewünscht wird.

Trotzdem war die Stelle umstritten. Denn auch andere Abteilungen im Rathaus leiden nicht gerade unter Unterbeschäftigung. Und die Stadträte wollen angesichts der Corona-Pandemie und deren Auswirkungen auf die Finanzen sparen. Seit 2014 ist die Zahl der städtischen Mitarbeiter um 20 Prozent auf 195 Personen gestiegen. Stefan Diehl (CSU) forderte deshalb, auf die Stelle im Bauamt zu verzichten, weil dort mit 67 Mitarbeitern schon jetzt ein hoher Personalstand erreicht sei. Wobei Bürgermeister Christoph Böck (SPD) entgegenhielt, dass gerade die CSU immer wieder auf die genannten Missstände etwa bei Dauerparkern hinweise. Und es wäre ja auch gut, beim Breitbandausbau voranzukommen.

Die SPD warnte aber davor, das Soziale aus den Augen zu verlieren. Stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Dritte Bürgermeisterin Annegret Harms beklagte, dass eine neue Stelle im Bereich Jugend und Soziales mit einem Sperrvermerk versehen worden sei und sagte: "Wir sollten nicht anfangen, an den falschen Stellen zu sparen." Jürgen Radtke (Grüne) fand auch, dass es wohl wichtiger sei, sich um die Menschen zu kümmern, als Falschparkern hinterherzujagen. Da würden Prioritäten falsch gesetzt. Die Mehrarbeit im Bereich Jugend und Soziales hat auch damit zu tun, dass mehr Mitsprache ermöglicht wird. Dort sind die Sitzungen der vielen Beiräte vor- und nachzubereiten, die die Stadt eingerichtet hat. So seien zum Seniorenbeirat, zum Beirat für Soziales und Familie und zum Beirat für interkulturelles Zusammenleben und Migration zwei weitere Beiräte geschaffen worden - der Beirat für Inklusion und der Jugendbeirat.

Die Diskussion im Hauptausschuss war schließlich fruchtbar. Für die Straßenverkehrsbehörde wurde eine halbe Stelle in Aussicht gestellt, und der Sperrvermerk für Soziales und Jugend wurde gestrichen. Insgesamt soll die Zahl der städtischen Beschäftigten kommendes Jahr auf 207 steigen - die Stadtwerke mit 61,5 Stellen nicht eingerechnet.

© SZ vom 18.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: