Unterhaching:Waisenkinder in Not

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Aynur Gündüz von der Kids-to-Life-Stiftung mit Kindern im Sam Waisenhaus in Gaziantep. (Foto: Kids to Life)

Die Kids-to-Life-Stiftung aus Unterhaching hilft Flüchtlingen an der syrischen Grenze

Von Cristina Marina, Unterhaching

Woran Ahmed sich erinnert, wenn er an Syrien denkt, hat Aynur Gündüz ihn gefragt. An den Geruch des verbrannten Fleisches seiner Freunde, hat ihr der Zwölfjährige geantwortet. Dass sie draußen Ball gespielt hätten, als eine Bombe einschlug und die Freunde vor seinen Augen bei lebendigem Leibe verbrannt seien, erzählte Ahmed. Mit dieser Antwort hatte Gündüz nicht gerechnet.

Sie besucht seit fünf Jahren Orte in der Türkei nahe der syrischen Grenze - im Auftrag der Unterhachinger Anton-Schrobenhauser-Stiftung "Kids to Life". Im November vergangenen Jahres hat sie dort Waisenhäuser für syrische Kinder besucht. Dort "fehlte es an allen Ecken und Enden", erzählt die 37-Jährige. Dabei sei deren Arbeit von großer Bedeutung, sagt Gündüz. Durch den Krieg sind viele syrische Kinder zu Waisen geworden, doch in der Türkei existieren offiziell keine Waisenhäuser, die sie aufnehmen. Inoffiziell werden private Waisenhäuser mittlerweile geduldet, doch die Kontrolle seitens des Staates fehle, sagt Gündüz. Dadurch könne insbesondere die der Lage der besonders schutzbedürftigen Kinder ausgenutzt werden.

Umso wichtiger sei es, regelmäßig dort hinzufahren und selbst mit den Kindern zu sprechen, sagt Gündüz. Sie habe sich in der Vergangenheit oft selbst in Gefahr begeben, um die gespendeten Sachen "mit den eigenen Händen" hinzubringen, damit sie auch dort ankamen, wo sie benötigt wurden. Diesmal waren es Wasserreiniger, Winterkleidung und Waschmaschinen. Diese Dinge trügen dazu bei, Kindern einen "geschützten Raum" zu errichten, in dem sie "wieder Kind sein dürfen".

Denn die Schicksale der Waisen sind selbst beim Zuhören schwer zu ertragen, sagt Gündüz. Missbrauch, Misshandlung, Verlusterfahrungen gehörten meist zu ihrem bisherigen Leben. Doch man kann sich davon erholen, wie Psychologen wissen. Aus diesem Wissen speist sich auch Gündüz' Ausdauer. In den vergangenen Jahren hat sie solche Beispiele selbst erlebt, von schwer traumatisierten Kindern, die allmählich wieder gelernt haben, Vertrauen zu fassen. Einem Buben, der zwei Jahre lang nicht mehr gesprochen hatte, ging es nach seiner Unterbringung ins Waisenhaus wieder besser; als er dann auf die syrische Schule in Istanbul kam, sprach er wieder. Auch diese Schule hat die Stiftung "Kids to Life" gegründet. Ein Vorteil einer kleinen Stiftung sei ihre besondere Flexibilität, sagt Gündüz. Eine solche Stiftung kann spontan auf unmittelbar erkennbaren Bedarf reagieren. Die Anton-Schrobenhauser-Stiftung "Kids to Life" engagiert sich seit ihrer Gründung 2003 für benachteiligte Kinder. Dazu gehört die Lieferung von Überlebenspaketen in Krisenregionen: Jährlich werden mehr als 4000 Pakete an Kinder in Syrien verteilt. Diese Pakete, die Grundnahrung wie Reis, Mehl, Nudeln, Brei, Mais und im Winter Kleidung enthalten, sichern laut Gündüz das Überleben der Kinder.

Ende Januar fährt Gündüz wieder mit Hilfsgütern in die Türkei. An die Menschen hierzulande hat sie nur eine Botschaft: Da auch sie vom Blick auf das Elend manchmal überwältigt werde, kenne sie das Gefühl der Ohnmacht, das einen angesichts der Weltlage packe. "Man denkt, man kann sowieso nichts ändern. Aber man kann."

© SZ vom 08.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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