Unterhaching:Vorbildfunktion

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Unterhachinger Gemeinderäte vermitteln Schülern elementare Erkenntnisse über die Kommunalpolitik

Von Michael Morosow, Unterhaching

Für einen politischen Anschauungsunterricht fahren täglich Schulklassen bis nach Berlin, um wenigstens eine Stunde lang die Debatten im Plenarsaal verfolgen zu können. Dann sehen und hören sie endlich einmal aus der Nähe, wie sich die gewählten Volksvertreter mit markigen Worten gegenseitig verunglimpfen, wenn sie nicht gerade gelangweilt auf ihren Handys herumtippen.

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah, dachte sich wohl Brigitte Grams-Loibl, die Direktorin des Lise-Meitner-Gymnasiums, und besuchte mit Schülerinnen und Schüler der 8./9. Klassen die jüngste Sitzung des Unterhachinger Gemeinderats. "Die wollen alle Politiker werden", sagte sie, als sich die Tür des Großen Sitzungssaals für die Besucher öffnete. Bereits das erste Thema hatte es in sich: Wirtschaftsplan 2016 - Wasserwerk Unterhaching. Die 14-Jährigen hingen förmlich an den Lippen von Kämmerer Peter Lautenschlager, als dieser Zahlen und Grafiken vorstellte. Noch mehr Spannung garantierte die Präsentation des Haushalts 2016. Wenn der ein oder andere Schüler dabei die Augen schloss, dann stellte er sich wohl gerade bildhaft vor, wie Geld vom Verwaltungshaushalt in den Vermögenshaushalt wandert. Und dann erst die Haushaltsreden der Finanzreferenten! Allesamt geschmeidig formuliert und sehr aufschlussreich für junge Pennäler. Und vor allem: kein schlimmes Wort über politisch Andersdenkende. Zumindest nicht bis Peter Hupfauer (FDP) seine Rede beendet hatte und Christine Helming (Grüne) das dringende Bedürfnis verspürte, dem Mann jetzt eine vor den Latz zu knallen. Hupfauer, ein Wiederholungstäter, hatte abermals die Harmonie gestört, indem er wieder einmal die seiner Meinung nach fehlende Transparenz politischer Entscheidungen anprangerte. Seine letzte Anfrage vom April 2015 zur Entwicklung der Schülerzahlen sei bis heute nicht beantwortet worden, monierte er unter anderem. Da kam er Christine Helming, die nicht nur grüne Gemeinderätin, sondern vor allem auch Dritte Bürgermeisterin ist, gerade recht. Ein heftiger Wortschwall drang aus ihrem Munde. Hauptaussage ihrer Tirade, sinngemäß: Der lästige Hupfauer soll sich nicht aufmandeln, der schwänzt doch regelmäßig Sitzungen. Jetzt wussten die jungen Leute, Petzen gibt es nicht nur im Unterricht. Sollte einer der Jugendlichen zu diesem Zeitpunkt gerade nicht eben hellwach gewesen sein, der auf Helmings Geschimpfe folgende Beifall hat ihn wieder ins Hier und Jetzt zurückbefördert. Ja, gut ein Dutzend Gemeinderätinnen und Gemeinderäte applaudierten der Dritten Bürgermeisterin für deren öffentliche Abrechnung mit Peter Hupfauer. Wenn die Gymnasiasten dereinst im Unterricht das Thema Mobbing behandeln, kann ihnen dieses Erlebnis durchaus von Nutzen sein.

Leider mussten sie um 20 Uhr die Gemeinderatssitzung vorzeitig verlassen. Die doofe Tagesordnung ist schuld daran, dass das einzige Thema, das für sie wohl noch spannender ist als der Wirtschaftsplan des Wasserwerkes, ohne sie auf den Tisch kam: der Antrag von SPD, CSU und Grünen, die bei der Jugendversammlung von Kindern formulierten Wünsche in der Verwaltung zu behandeln.

Die Frage, die bleibt: Wollen die jungen Leute auch nach dieser Sitzung weiterhin Politiker werden?

© SZ vom 29.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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