Unterhaching:Unrund

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Den Ball und die Pointe immer im Blick: Doch das Programm "Gib mir die Kugel" von Gerald Wolf lässt den Funken nicht so recht überspringen. (Foto: Claus Schunk)

Satirisches zur Fußball-Europameisterschaft: Der Berliner Kabarettist Gerald Wolf trifft beim Auftritt in Unterhaching mit seinen Pointen eher selten ins Eckige

Von Udo Watter, Unterhaching

Ein Tag ohne Fußball ist ein verlorener Tag. Dieses Bonmot wird dem großen österreichischen Trainer Ernst Happel zugeschrieben, der auch dafür bekannt war, dass er keinen Tag ohne den Konsum mehrerer Schachteln Zigaretten überstand. Während die Kulturtechnik des Rauchens freilich ihrer sozialen Relevanz und Akzeptanz fast komplett verlustig gegangen ist, scheint der Siegeszug der globalen Supermacht Fußball in aller Winkel der Erde und Gesellschaften unaufhaltsam. Ein Tag ohne Fußball muss ja auch nicht sein, selbst wenn bei der EM spielfrei ist. Kann man ja mal ins Kubiz nach Unterhaching gehen, um zu erfahren, wie man sich dem Phänomen kabarettistisch nähert. Gerald Wolf präsentierte dort sein Programm "Gib mir die Kugel" - Satirisches zur aktuellen Europameisterschaft in Frankreich. Dass es keine reine Hommage auf den Zauber des runden Leders würde, unterstrich der Berliner Kabarettist gleich zu Beginn, als er die zahlreichen Streiks im Veranstalterland als "Sommermärchen" bezeichnete - und damit vielen deutschen Beobachtern, die in schwelgerischer Erinnerung an die WM 2006 die fehlende Stimmung in Frankreich beklagten, süffisant den Spiegel vorhielt.

Ein paar Anmerkungen zur EM-Vorrunde folgten ("Ich hab' immer erst ab der 88. Minute eingeschaltet und fast alle Tore gesehen.") und zur Verwandtschaft von Fußball und Erotik, indem er den Reporter Werner Hansch zitierte ("Da wichst er doch den Ball am Tor vorbei."). Auch einen Versuch, den Lokalstolz des Publikums zu kitzeln - immerhin habe die Spielvereinigung Unterhaching ihren höchsten Bundesligasieg gegen seine Hertha aus Berlin gefeiert (5:2) - ließ er sich nicht nehmen.

Aber um im Bild zu bleiben: So richtig ins Spiel fand Gerald Wolf auf der Bühne nicht. Immer wieder rezitierte er Fußball-Weisheiten und -sprüche, viele davon hat man schon x-mal gehört, etwa Bruno Labbadias "Das wird doch alles von den Medien hochsterilisiert!" oder die berühmte Äußerung von Bill Shankly, ehemals Manager des FC Liverpool: "Manche Leute sagen, Fußball sei eine Sache auf Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Es ist viel ernster." Manche Sprüche Berti Vogts' kann man in ihrer entlarvenden Charakteristik freilich nicht oft genug hören: "Hass gehört nicht ins Stadion. Solche Gefühle soll man gemeinsam mit seiner Frau daheim im Wohnzimmer ausleben."

Bei Wolfs musikalischen Einlagen sprang der Funke auch nicht unbedingt über, ein Kabarettist muss ja kein Gitarrengott oder Heldentenor sein, aber die Texte waren meist wenig originell und entwickelten keinen Rhythmus. Dass offenbar Gerald Wolfs Frau immer genau in dem Moment vor dem Bildschirm läuft, wenn ein Tor fällt, mutet als Thema eines Fußballkabarettabends auch wie nicht ganz klischeefreier Humor an.

Freilich hatte Wolf auch seine guten Momente, etwa wenn er als schnalzende Angela Merkel oder als Radioreporter Herbert Zimmermann (1954, "Wunder von Bern") parodistische Fähigkeiten entwicktelte. Zudem waren die kritisch-politischen Exkurse in unrühmliche Kapitel der DFB-Geschichte oder die Doping-Problematik gelungen, nicht zuletzt, weil Gerald Wolf hier seinen Redefluss mit Leidenschaft und Bissigkeit garnierte. Generell waren solche Augenblicke, in denen er Charisma und Bühnenpräsenz entfaltete, aber zu selten. Wenn denn jeder Tag ohne Fußball ein verlorener Tag sein sollte, muss man konstatieren: Ans Niveau der vorangegangenen und höchst unterhaltsamen Achtelfinalspiele reichte dieser Abend nicht heran.

© SZ vom 01.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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