Ob nun Sprache ein bewegliches Heer von Metaphern ist, das Haus des Seins oder ihre Grenzen die Grenzen unserer Welt bedeuten - man muss nicht Nietzsche, Heidegger oder Wittgenstein zitieren, man kann auch einfach nur den Genitiv richtig verwenden, um sich das Gefühl sozialer Distinktion zu verschaffen.
Der Publizist und Krimi-Autor Daniel Scholten, hat sich in seinem Buch "Denksport Deutsch" unter anderen mit diesen Fragen auseinandergesetzt: Was ist gutes Deutsch, welche Stilregeln sind richtig, welche einfach nur falsch? Wo irren Sprachpäpste? Der Sohn deutsch-isländischer Eltern, der ein Studium der Historischen Sprachwissenschaft, Deutschen Linguistik und Ägyptologie abgeschlossen hat, ist tief in die indogermanische Vergangenheit gereist, hat die Mysterien des Konjunktivs aufgeschlüsselt und nach der Entstehung der grammatikalischen Geschlechter gesucht. Bei der 13. Unterhachinger Lesenacht am Samstag, 13. Mai, wird Scholten aus seinem vergnüglichen und informativen Buch lesen und zu zeigen versuchen, dass gutes Deutsch leichter ist als viele denken - und dass das, was manch Hohepriester des Stils predigen, eventuell gar nicht korrekt ist.
Auf dem Holzweg ist quasi auch Franz Josef Keilhofer, aber - wenn man so will - auf dem richtigen. Der Naturbursche aus dem Berchtesgadener Land, der als kreativer Drechsler und bärtiges Modell mit Tattoos in den vergangenen Jahren zu einer Art Holz-Hipster avanciert ist, stellt sein Buch in Unterhaching vor: In "Mit Holz, Herz und Hand" erzählt Keilhofer von seiner besonderen Beziehung zum bevorzugten Werkstoff. "Mir ist es wichtig, dass wir neben der Belletristik auch eine schöne Alternative anbieten: interessante Sachbücher", sagt Mitorganisatorin Christine Helming von der Buchhandlung Helming & Heuser. "Ich bin schon gespannt auf den Holzmann." Keilhofer berichtet in seinem Buch von der richtigen Bearbeitung, dem Finden des richtigen Baumes und vom Erkennen des richtigen Lebens. Der Holzkünstler, der inzwischen ein eigenes Label - Ginger Wood - betreibt, verkörpert wie kaum ein anderer die Zeitgeist-Sehnsucht nach Echtheit, nach Natur und Handwerk. In seinem Zusammenhang ist schon mal von "Nature Writing" die Rede.
Neben Scholten und Keilhofer werden sich noch andere Autoren, vornehmlich aus dem Münchner Raum, bei der Lesenacht von 19 bis 24 Uhr vorstellen, an sieben verschiedenen Schauplätzen. Zu diesen gehören etwa die Gemeindebücherei, der kleine Saal des Kubiz, die Buchhandlung Helming & Heuser oder das Heimatmuseum. Für Freunde der Literatur heißt es wieder, im Zentrum Unterhachings quasi von Leseinsel zu Leseinsel zu flanieren oder zu radeln. Die Auswahl ist abwechslungsreich, der literarische Stoff bietet von Grusel über Philosophie, Poesie und Kirchengeschichte bis hin zu romantischer Unterhaltung und Krimi-Thrill eine enorme Bandbreite.
Die Schriftstellerin und Regisseurin Franziska Schönenberger erzählt etwa in ihrem autobiografischen Buch "Tausche Dirndl gegen Sari" die Geschichte einer bayerisch-indischen Liebe und die einer interkulturellen Familienzusammenführung - letztlich eine (wahre) Wohlfühl-Geschichte. Hubert Wolf, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Münster, weiht den Leser respektive Zuhörer in "Konklave" in die Geheimnisse der Papstwahl ein und zeigt, was im Inneren der Sixtinischen Kapelle bei einer solchen Wahl abläuft. "Das wird sicher interessant und wohl auch skurril", vermutet Helming.
Anton Leiss-Huber lässt in seinem Kriminalroman "Fastenopfer" seinen Kommissar Kramer in einem mysteriösen Todesfall ermitteln - während der österlichen Fastenzeit in Altötting. Der in der Schweiz geborene und in München lebende Autor Jonas Lüscher, der 2013 mit der Novelle "Frühling der Barbaren" zum Shooting-Star avancierte, liest aus seinem ersten Roman "Kraft". Es ist ein kluges, so böses wie komisches Buch, das einen in einer Lebensmisere steckenden Rhetorikprofessor ins Silicon Valley begleitet. Dort will er in Anlehnung an Leibnitz' Theodizee in einem Vortrag begründen, weshalb alles, was ist, gut ist und wir es doch verbessern können - und das dafür ausgelobte Preisgeld von einer Million Dollar einstreichen. "Kraft" ist alles andere als ein Wohlfühl-Buch, da weder der Titelheld ein Sympathieträger ist noch die IT-Elite aus dem Silicon-Valley besonders zärtliche Gefühle hervorrufen.
Mit Wulf Schmid Noerr und seinem Buch "Gedanken Flügel" kommt diesmal auch die Lyrik in Unterhaching zu ihrem Recht. Einen Künstlerroman über eine Zeit des Aufbruchs wie auch der Schaffenskrisen im Leben des jungen Hermann Hesse präsentiert Thomas Lang mit "Immer nach Hause". Eine Fiktion auf der Basis der Biografie des Literaturnobelpreisträgers von 1946. Überdies werden gleich drei Autoren, die auch für diese Zeitung arbeiten, das Auditorium in Unterhaching unterhalten: Sebastian Herrmann stellt seine "Gebrauchsanweisung fürs Fahrrad fahren" vor - "eine ebenso witzige wie verblüffende Hymne an die wohl anmutigste und berauschendste Art der Fortbewegung". SZ-Kulturredakteur Bernhard Blöchl präsentiert seine tragisch-komische Road-Novel "Im Regen erwartet niemand, dass dir die Sonne aus dem Hintern scheint", die ein ungleiches Paar nach Schottland führt. Und Achim Zons hat sich in seinem Thriller "Wer die Hunde weckt" vom Altmeister John Le Carré inspirieren lassen.
Einen Krimi, der im Münchner Westend spielt, stellt Moses Wolff mit seinem neuen Buch "Monaco Infernale" vor und traditionell klingt die Lesenacht mit Friedhelm Rensch und seinen "Unheimlichen Geschichten der Weltliteratur" aus. Da geht's dann mutmaßlich weniger um die Frage "Dativ oder Genitiv?", sondern "Tod oder Leben?"
Der Kartenvorverkauf ist möglich über die Gemeindebücherei, Telefon 089/665 51-440, Buchhandlung Helming & Heuser, 089/611 24 65, oder übers Kulturamt im Kubiz, 089/665 55-316, und die VHS, 089/66 54 76 10. Tickets gibt es auch an der Abendkasse und online über www.muenchenticket.de.