Unterhaching:Münchner Geschichten

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Unterhachinger Lesenacht vereint Literaten aus der Region

Von Franziska Gerlach, Unterhaching

Er fiel schließlich in einer Berliner Praxis für Paartherapie, vor einem Psychologen in Ringelsocken: Der Satz, der Jan Fleischhauer nach 15 Jahren aus seiner Ehe katapultieren sollte. "Ich habe nur einen Wunsch, und der ist, dass wir uns trennen!". Das hatte Ella doch tatsächlich gesagt.

Sieben Jahre später ist Fleischhauer zum zweiten Mal verheiratet und lebt in Pullach, und unter seinen Zuhörern im kleinen Saal des Kubiz gibt es wohl niemanden, der das Aus seiner ersten Ehe mit Ella bedauert. Sonst hätte der Spiegel-Redakteur und Kolumnist mit dem unverkennbar bissigen Humor wohl kaum den Roman "Alles ist besser als noch ein Tag mit dir" geschrieben, aus dem er nun, bei der 14. Unterhachinger Lesenacht, zur allgemeinen Erheiterung vorliest - nicht einfach so Seite für Seite, sondern indem er den Unterhachingern mit reichlich Mut zur Selbstironie pikante Details der eigenen Trennung serviert.

Elf Autoren lasen am Samstagabend bis Mitternacht an acht verschiedenen Schauplätzen in Unterhaching. Das Programm erwies sich mit Krimis, Sachbüchern und Romanen als Konzentrat dessen, was Bücher alles sein können. Dass die Autoren ausschließlich aus München oder der Umgebung stammten, hat laut Christine Helming von der Buchhandlung "Helming & Heuser", die die Lesenacht mit dem Kulturamt organisiert, aber auch ganz praktische Gründe: "Eine Übernachtung können wir nicht bezahlen." Macht aber nichts. München ist vielleicht nicht Weimar - und einmal abgesehen von Thomas Mann, der streng genommen ja auch ein Zugereister war, hat die Stadt in der Vergangenheit nur wenige Namen hervorgebracht, die es mit Goethe oder Schiller aufnehmen können.

Dafür sitzt an einem kleinen Holztisch in der Buchhandlung "Helming & Heuser" jetzt die preisgekrönte Münchner Nachwuchsautorin Lilian Loke, geboren 1985, deren zweiter Roman "Auster und Klinge" gerade in aller Munde ist. Sie nimmt einen Schluck Wasser, blickt kurz in die Runde. Mit jedem Wort, das Loke vorliest, werden die Konturen der beiden Hauptfiguren Gregor und Victor, die sich auf einen abenteuerlichen Deal einlassen, etwas schärfer. Der eine ist ein milliardenschwerer Künstler, der andere ein ehemaliger Einbrecher, der nach einer Haftstrafe ein Restaurant eröffnen will - und von einem normalen Familienleben träumt, mit einem "Golden Retriever, der im Regen stinkt", und einen voll sabbert, "verrückt vor Glück".

Ganz anders wiederum Olga Mannheimer. Die Journalistin und Autorin nahm die Unterhachinger für eine knappe Stunde mit nach Frankreich, wo sie als Kind jüdisch-osteuropäischer Flüchtlinge aufgewachsen ist. In ihrer Anthologie "Blau Weiß Rot" fügen sich Beiträge bekannter französischer Autoren wie Michel Houellebecq oder Cécile Wajsbrot zu einer realistischen Momentaufnahme Frankreichs zusammen, in Unterhaching erzählte die Autorin in einem eigenen Text dann liebevoll von ihrem Vater, der stets darauf bedacht war, sich wie "ein ganz normaler Franzose" zu verhalten.

Sandra Hoffmann hat ihrer Großmutter sogar ein ganzes Buch gewidmet. Mit intimen Beschreibungen nimmt sie sich "Paula" an, die sich selbst eingesperrt hatte in einem Gefängnis aus Angst und Schweigen. Das Geheimnis, wer der Vater von Hoffmanns Mutter war, lüftet Hoffmann zwar nicht. "Trotzdem habe ich das Gefühl, ihr beim Schreiben näher gekommen zu sein."

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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