Unterhaching:Junger Milder an der Weggabelung

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Den Kabarettisten Matthias Ningel beschäftigt das Alter

Von Udo Watter, Unterhaching

Klar, ein antiker Superheld wie Herakles wählt die Tugend, wenn er am Scheideweg steht. Die schaut zwar, wie sie dort als Allegorie an der Gabelung sitzt, unscheinbarer aus als ihre herausgeputzte, Lust verheißende Antagonistin, aber der griechische Heros entscheidet sich natürlich für das beschwerlichere Leben - um der Ehre willen. Wer allerdings nicht so privilegiert ist, ein Halbgott zu sein und die Hauptrolle in einem Mythos zu spielen, der tut sich manchmal schwerer, entschlossen auf den rechten Lebensweg einzubiegen.

Eine besonders ausgeprägte Schwellenphase ist die Zeit, in der die Gesellschaft (und vielleicht man selbst) erwartet, dass man sich von seiner Jugend verabschiedet, dass man erwachsen und verantwortungsvoll werden soll, und sich allerlei Möglichkeiten auftun. Der Musikkabarettist Matthias Ningel beschäftigt sich in seinem zweiten Programm "Jugenddämmerung" mit den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens. Vor kurzem 30 geworden, seziert er darin mit humorvoll-nachdenklichem Blick sich selbst und seine Generation, taucht ein in ihre Eigenarten, Ängste und Sehnsüchte.

Der Gewinner der Kabarettbundesliga 2016, der am Freitag, 10. November, im Unterhachinger Kubiz gastiert, entlarvt darin eine Perspektivlosigkeit aufgrund zu vieler Möglichkeiten und entdeckt die Hintergründe multipler Medienabhängigkeit. Der Musikpädagoge, der 2016 einen Lehrauftrag an der Hochschule zugunsten der Kleinkunst aufgab, kennt die Problematik aus eigener Erfahrung und aus dem Freundeskreis. "Auch ich stand zwischen den Optionen und in einem bestimmten Milieu ist eine Unzufriedenheit mit der Zukunft symptomatisch." Er selber hat sich nun entschieden, seinen Weg über die Kleinkunstbühnen zu gehen. Der Sieg in der Kabarett-Bundesliga - er setzte sich 2016 gegen 13 Konkurrenten durch - hat dem Mainzer neue Türen geöffnet. Ningel, der 2013 sein erstes Soloprogramm "Omegamännchen" auf die Bühne brachte, ist allerdings kein politischer Kabarettist, der mit scharfer Zunge und maliziösem Intellekt das charakterliche Mängelwesen Mensch bloßstellt, sondern entfaltet bei seinen mit vielen Liedern garnierten Auftritten eine eher juvenil-liebenswerte Klugheit. "Es heißt oft, gutes Kabarett muss böse sein. Und das stimmt ja auch: Ich mag zum Beispiel Hagen Rether oder Max Uthoff", erklärt Ningel. "Aber ich merke selber, dass ich das von meinem Wesen her nicht transportieren kann. Mir geht es darum, nicht so sehr das Schlechte zu entlarven, sondern das Gute auf spielerische Art schmackhafter zu machen." Insofern treffe das Wortspiel "Junger Milder" auf ihn schon zu. Was freilich nicht bedeutet, dass der mehrfach prämierte Ningel mit seinem bubenhaften Antlitz und seinem sympathischen Wuschelkopf harmlose Unterhaltung machte. Er hat ein durchaus feines Sensorium für Defizite, ob es sich nun um eine aus dem Ruder gelaufenen Work-Life-Balance handelt, um fehlende Authentizität als Folge des virulenten Optimierungs- und Inszenierungsdiktats oder ein merkwürdig oberflächliches Verhältnis junger Menschen zur Romantik - was auch durch die neuen medialen Möglichkeiten verstärkt würde. Dass eine auf Leistung und Erfolg fixierte Gesellschaft einen Mangel an Empathie hervorbringen kann, bewegt ihn ebenfalls: "Manche Menschen haben schon ein sehr instrumentelles Verhältnis zu sich selber, es geht ihnen um ständige Effizienzsteigerung, und sie sehen sich selbst als ihr eigenes Unternehmen. Das hat oft eine soziale Kälte zur Folge." Moralische eindeutige Fingerzeige will er natürlich dennoch nicht in seinem Bühnenprogramm geben, aber er hätte auch nichts dagegen, wenn er den ein oder anderen Besucher zu positiven Entscheidungen und Haltungen inspirieren würde.

Matthias Ningel präsentiert "Jugenddämmerung" am Freitag, 10. November im Kubiz, Unterhaching, Beginn 20 Uhr. Karten gibt es über 089/66 555 316, www.reservix.de oder www.muenchenticket.de

© SZ vom 03.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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