Unterhaching:Die Leichtigkeit des Scheins

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Im ausverkauften Kubiz begeistern junge Schüler der Salzburger Ballett Academy mit klassischen und modernen Choreografien - und sie demonstrieren, wie viel Disziplin und Schinderei dahinter stecken

Von Udo Watter, Unterhaching

Große Kunst leugnet immer die Schwere ihrer Geburt. Aber kaum eine Kunstform erstrebt so sehr den Anschein der Mühelosigkeit wie das Ballett. Anmut, Leichtigkeit, die Illusion von Schwerelosigkeit gehören zu den klassischen Charakteristika von Spitzentanz und Pas de Deux - und doch steckt dahinter eine enorme Disziplinierung und mitunter an körperliche Schinderei grenzende Trainingsmoral. Man kann so etwas durchaus kritisch sehen, aber was die Schüler der Salzburger International Ballett Academy (Siba) jetzt in Unterhaching nach einem vierwöchigen Intensiv-Workshop präsentierten, war schlicht großartig.

Hochbegabte junge Tänzerinnen und Tänzer aus verschiedenen Ländern zeigten am Samstagabend im ausverkauften Kubiz, was sie unter der künstlerischen Gesamtleitung von Peter Breuer gelernt hatten. "Diesmal haben wir ein paar richtige Kracher dabei", erklärt Breuer, der selber früher ein international arrivierter Tänzer war und seit vielen Jahren als Chefchoreograf und Ballettdirektor in Salzburg erfolgreich ist.

Dass freilich die Illusion der Leichtigkeit mitunter schnell zerplatzt, dass der Grat zwischen dem Schönen und Schrecklichen schmal ist, war an diesem Abend auch früh zu sehen: Nachdem gerade noch ein Teil des Ensembles Breuers prämierte "Carmen"-Choreografie mit sängerischer Unterstützung von Hanna Brostrom als hochverführerischen Generalangriff auf die Sinne umgesetzt hatte, ereignete sich im nächsten Stück ein kleines Drama: Bei einer verunglückten Landung nach einem gedrehten Sprung um die eigenen Achse riss sich der Tänzer Simon Fyrevik mutmaßlich die Achillessehne: Das Knacksen war schmerzhaft laut vernehmen. Er hinkte von der Bühne und musste ins Krankenhaus gebracht werden.

Illusion der Schwerelosigkeit, perfekte Körperspannung, Anmut, Bella Figura: Was die jungen Schülerinnen und Schüler des Workshops der Salzburger Ballett Academy im Unterhachinger Kubiz zeigten, war eine Augenweide. (Foto: Angelika Bardehle)

Nachdem der erste Schock überwunden war und ging es nach einer kurzen Pause aber weiter: Insgesamt standen an diesem Abend satte 32 Programmpunkte an, ein erlesener Querschnitt dessen, was Tanz alles sein kann. Der erste Teil des Abends war freilich ein bisschen zu sehr den klassischen Darbietungsformen gewidmet. So präzise die Ballerinas ihre Pirouetten drehten, so grazil sie auf Zehenspitzen tänzelten oder eine formvollendete Arabesque in den Raum zauberten, der Aneinanderreihung von Virtuositäten mangelte es manchmal an erzählerischer Tiefe.

Eine perfekte Grazilität ist eben ab und an nicht weit entfernt von allzu konventioneller Ballett-Manieriertheit, die man - wie auch die stets ritualisierte Verbeugung - schon mögen muss. Gleichwohl ist es faszinierend, mit welch fast schon überirdisch zartem Anmut etwa eine Tänzerin wie die junge Marie Andres sich bewegt. Ein Farbtupfer war der Auftritt Amandine Thierry-Nanasi, die eine reizende und kecke Step-Performance zu "Queen"-Klängen zeigte. Bewegend zudem Elina Leitner, die in "Someone Special" ihren Körper als sich windendes, leidenschaftlich biegendes Erzählinstrument nutzte. Stark auch die Gruppen-Choreografie von Edward Nunes zum Abschluss des ersten Teiles. Da passte vieles: Timing, Artistik, Emotion.

Generalangriff auf die Sinne: Seine hochbegabten Schüler setzten die Choreografien von Ballettdirektor Peter Breuer so artistisch wie verführerisch um. (Foto: Angelika Bardehle)

Die männlichen Schüler waren, wenig überraschend, an diesem Abend deutlich in der Unterzahl - insgesamt hatte sich dieses Jahr 53 Schüler für den Workshop in Salzburg angemeldet - aber sie zeigten umso mehr Klasse. Jonathan Olafsson oder William Hall demonstrierten nicht nur, dass sie hervorragend ausgebildete und athletische Tänzer mit toller Körperspannung sind, sondern auch Charisma und Expressivität besitzen. Generell bot der zweite, weniger klassische Teil, mehr Abwechslung und die aufregenderen Choreografien. "Between Black and White", das Julia Schapiro in raffiniertem Outfit zeigte, lebte vom sinnfälligen Wechselspiel zwischen modern und klassisch, zu den Klängen von Café del Mar und Tschaikowsky.

Atemberaubend gelenkig und mit kongenial fließenden Bewegungen zum Rhythmus der Musik agierte Miriam Abrudan in "The Prisoner". Großartig in dieser Hinsicht auch Maya-Anne Stegers mit "Kisses of Faith". Eine sehr originelle Solo-Choreografie setzte Pinja Sinisalo um, die in rotem Kleid vor blau illuminiertem Hintergrund sich wand und bog und virtuos an den blonden Haaren zog. In diesen Darbietungen fanden zudem pantomimische Elemente Eingang

Dass eine Gruppen-Choreografie nicht unbedingt spektakulär auftrumpfen muss, sondern mit einfach fließenden Bewegungen schöne Kompositionen entstehen, bewies zwischendurch Breuers "Summertime". Aber gut, das große, traditionelle Finale mit seinem "Bolero" ist dann doch noch aufwühlender, die Darbietung atmet eine Spannung und Energie, es ist ein knisterndes Wogen und Kreisen der Körper mit einzelnen wilden Sprüngen hin zur Klimax. Explosiv dann auch der Applaus, von vielen Bravo-Rufen" begleitet.

© SZ vom 07.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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