Unterföhring:"Schuss ins Knie"

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Der Rechtsbeistand rät Unterföhring von der Gründung einer kommunalen Bau- und Entwicklungsgesellschaft ab

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Das Urteil des Fachmanns war eindeutig: "Lassen Sie die Finger davon", empfahl Rechtsanwalt Max Reicherzer den Unterföhringer Lokalpolitikern, nachdem seine Kanzlei das Für und Wider einer kommunalen Bau- und Entwicklungsgesellschaft im Auftrag der Gemeinde geprüft hatte. Reicherzer berät das Rathaus seit mehr als zehn Jahren, in den vergangenen Monaten hatte er sich dieses Themas angenommen. Der Gemeinderat hatte im vergangenen April mehrheitlich den Prüfauftrag beschlossen. Grundlage war ein Antrag der CSU-Fraktion zur Gründung einer kommunalen Bau- und Entwicklungsgesellschaft.

Der CSU ging es darum, den Wohnungsbau im Ort anzuschieben und das Bauamt im Rathaus bei weiteren Projekten zu unterstützen. Die Unterföhringer Verwaltung kommt kaum noch hinterher angesichts der vielen Vorhaben, die der Gemeinderat in den vergangenen Jahren beschlossen hat, sodass die Lokalpolitiker eine Prioritätenliste mit den wichtigsten Maßnahmen auflegten. Mit einer Bau- und Entwicklungsgesellschaft, die ähnlich wie der kommunale Energieversorger Geovol aufgestellt werden könnte, würde das Rathaus entlastet, hatte die CSU ihren Antrag begründet. Die von den Lokalpolitikern beschlossenen Projekte wie etwa Abriss und Wiederaufbau des Gockl-Wirts, die Verlegung des Rathauses in die neue Ortsmitte sowie die Verlegung der Feuerwehr würden die Kapazitäten in der Gemeindeverwaltung auf lange Zeit binden.

Fachanwalt Reicherzer sagte in der jüngsten Gemeinderatssitzung jedoch, dass ein Outsourcing der Aufgaben durchaus "ein Schuss ins Knie" werden könnte. Gemeinden dürften laut Kommunalrecht zum Beispiel keinen Gewinn erzielen wie private Bauträger; echte steuerliche Vorteile seien durch die Gründung einer Bau- und Entwicklungsgesellschaft nicht zu erwarten - und auch bei einem Modell der Baugenossenschaft habe die Gemeinde keine größere Mitbestimmung, selbst wenn sie eine hohe Einlage leiste.

Nach Ansicht des Anwalts sind gerade die überschaubaren Strukturen und die kurzen Dienstwege in einer Bauverwaltung im Rathaus von Vorteil. Bei einer Auslagerung seien Reibungsverluste zu erwarten. Reicherzer zeigte jedoch auch Möglichkeiten auf, wie eine Kommune ihr Bauamt entlasten kann. Zum Beispiel über einen Erschließungsvertrag für ein Baugebiet, will heißen, die Gemeinde beauftragt einen Träger. Auch Einheimischenmodelle seien ein Weg - schlüsselfertig erstellt durch einen Bauträger oder eine Baugenossenschaft der künftigen Bewohner.

Während sich die Unterföhringer SPD, genau wie die Grünen Gegner des Ansinnes, in ihrer Haltung bestätigt fühlte, gab es von der CSU herbe Kritik am Gutachten des Anwalts. Zweite Bürgermeisterin Betina Mäusel hielt den Prüfauftrag für "einseitig beantwortet". Ihrer Partei sei es nicht nur um Wohnungsbau gegangen, sondern eben auch darum, die großen Projekte nach draußen zu geben, zur Entlastung der Verwaltung. In einer Gesellschaft könne man auch das Personal besser bezahlen und so besonders qualifiziertes gewinnen, argumentierte Mäusel.

Diese Idee hatte bereits bei der ersten Debatte im Gemeinderat vom April heftige Wellen ausgelöst: Nach Meinung der SPD würde man damit ein Zwei-Klassen-System schaffen. Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft, PWU), im Frühjahr 2016 noch Befürworter des Projekts, verwahrte sich nun gegen Aussagen, in der Gemeindeverwaltung habe man nicht genügend qualifizierte Mitarbeiter. So habe man dies nicht gemeint, sagte seine PWU-Kollegin Marianne Rader, die ebenfalls wenig Gutes am Gutachten ließ und sich für die von der CSU geforderte Gesellschaft mit Fachpersonal stark machte.

Thomas Weingärtner (SPD) sagte, man könne gerne über die Aufstockung des Bauamtes sprechen, müsse aber auch einsehen, dass man eben nicht alles auf einmal umsetzen könne. "Sie sind mit dem Bauchladen voller Projekte im Wahlkampf durch die Gemeinde gezogen", warf er PWU und CSU vor. Für Manuel Prieler, Fraktionssprecher der Parteifreien, ist die Sache klar: "Die Signale des Gutachtens sind deutlich." Und zwar gegen die Gründung einer kommunalen Bau- und Entwicklungsgesellschaft.

Die Fraktionen im Gemeinderat haben nun vier Wochen lang Zeit, um sich die Ergebnisse der Prüfung durch den Rechtsanwalt intensiv anzusehen. Erst dann steht eine Entscheidung darüber an, ob es in Unterföhring eines Bau- und Entwicklungsgesellschaft geben soll.

© SZ vom 16.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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