Unterföhring:Kleinod ohne Fürsprecher

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Das Zindlerhaus am Unterföhringer Bahnhof muss dem Bau der neuen Ortsmitte und einer Kindertagesstätte weichen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Während in der Unterföhringer Bevölkerung der bevorstehende Abriss des Bahnwärterhauses bedauert wird, verteidigen Gemeinderäte aller Fraktionen ihre Entscheidung als alternativlos und unumkehrbar

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Sturm im Wasserglas oder skandalöse Entscheidung? Die Diskussion um den Abriss des mehr als 100 Jahre alten und restaurierten Bahnwärterhäuschens ebbt in Unterföhring nicht ab. Während vor allem ältere Bürger den vom Gemeinderat einstimmig gefassten Beschluss, das Zindlerhaus abzubrechen und an dieser Stelle gegenüber dem Bahnhofsgebäude einen Ersatzbau für die integrative Kindertagesstätte zu errichten, beklagen, stehen die Lokalpolitiker aller Fraktionen zu ihrer Entscheidung. Das Gebäude, in dem derzeit die Palliativberatung der Caritas sowie zwei Künstlerateliers untergebracht sind, muss den Planungen für die neue Ortsmitte weichen.

"Das Haus ist doch nicht erhaltenswert", sagt etwa Manfred Axenbeck, Sprecher der CSU im Gremium. "Wir reden doch nicht von einem historischen Bahnhof, wie es ihn in anderen Gemeinden gibt." Vergleiche mit der Pfarrvilla aus dem Jahr 1901, die von der Kommune aufwendig restauriert wurde und ein Schmuckstück an der Münchner Straße darstellt, verbieten sich seiner Meinung nach von selbst.

Der Gemeinderat hatte im vergangenen Oktober den Umgriff für das neue Zentrum einstimmig festgelegt und damit den Abriss des Zindlerhauses besiegelt. Dort wird im Zuge der Realisierung der neuen Ortsmitte ein Neubau für die derzeitige Inklusions-Kindertagesstätte an der Föhringer Allee entstehen. Für die Kita habe es keinen alternativen Standort gegeben, heißt es übereinstimmend aus allen Fraktionen.

"Der Abbruch ist notwendig, der Keller ist sowieso schimmlig und modrig", sagt Axenbeck und erinnert daran, dass er diesen bereits unter der Amtszeit von Altbürgermeister Franz Schwarz (SPD) für richtig gehalten hätte. 2008 hatte Andreas Kemmelmeyer, damals Fraktionsvorsitzender der Parteifreien Wählerschaft (PWU) und heutiger Bürgermeister, den Antrag gestellt, das Gebäude abzureißen. Die damalige Gemeinderatsmehrheit hatte sich allerdings für den Erhalt und eine Renovierung des Objekts ausgesprochen. Nun steht es allerdings den Plänen für die Ortsmitte im Weg. Nach dem Votum der Kommunalpolitiker, auch das neue Rathaus auf dem Areal zwischen Bahnhof und Föhringer Allee zu bauen, rieten die Planer der Gemeinde, den Umgriff nach Norden hin zu erweitern.

Ideen, wie zum Beispiel die Kita im Rathaus unterzubringen, seien aus gutem Grund verworfen worden, sagt Bürgermeister Kemmelmeyer. Nicht nur wegen der Mitarbeiter, sondern auch wegen eines Zaunes, der für die Freiflächen der Inklusions-Tagesstätte hätte gebaut werden müssen. "Von einer offen gestalteten Ortsmitte wäre da nicht mehr viel geblieben", so Kemmelmeyer.

Mutmaßungen von Teilen der Bevölkerungen, den Gemeinderäten sei es gar nicht bewusst gewesen, was sie da beschließen, weisen die Fraktionen zurück: "Es gab doch keine Alternative", sagt Johannes Mecke von den Grünen. Bereits 2008 habe man für einen Abriss votiert, das Zindlerhaus habe "doch nicht etwas besonders Auffälliges", findet er.

Für die SPD-Fraktion war nach den Worten von Sprecher Philipp Schwarz "oberste Priorität", dass die integrative Krippe an der Föhringer Allee einen Platz im neuen Ortszentrum bekommt. "Wo hätten wir eine solche Krippe sonst realisiert?", fragt Schwarz, räumt allerdings ein, dass die SPD notgedrungen zugestimmt habe, auch "um nicht immer als Nörgler und Blockierer zu gelten". Allerdings sei man der Meinung gewesen, dass die Lage am verkehrsreichsten Eck des Planungsgebiets für die Kinder der schlechteste Platz sei. "Mit etwas mehr Fantasie hätte in dem sehr großen Gebiet sicher ein viel besserer Standort für die Krippe gefunden werden können", glaubt Schwarz - mit dem Nebeneffekt, das Zindlerhaus zu erhalten, was seinen Vater, den Altbürgermeister wohl gefreut hätte. Für Franz Schwarz stellt das frühere Bahnwärterhäuschen ein Kleinod dar.

Diese Auffassung mag Manuel Prieler, Fraktionssprecher der PWU, keineswegs teilen: "Unser Seelenheil hängt nicht am Zindlerhaus", versichert er. Für die Platzierung der Krippe habe es keine Alternative gegeben. Und drumherum zu bauen, sei nun wirklich keine Option gewesen. Grünen-Gemeinderat Mecke findet darüber hinaus, dass das Grundstück dort gegenüber dem Bahnhof "viel zu wertvoll ist", um es nicht optimal zu nutzen. Da der Gemeinde auch das Grundstück daneben gehört, könne auf dem Areal mit der Kita etwas Sinnvolles entstehen.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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