Unterföhring:Hitziger Zeitzeuge

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Ein mittelalterlicher Holzofen erhellt die lange Historie Unterföhrings - als Ausstellungsstück

Von Irmengard Gnau, Unterföhring

Die Polizeieskorte bleibt aus. Trotzdem ist es eine äußerst wertvolle Fracht, welche die Mitarbeiter des Unterföhringer Bauhofs am Donnerstag transportieren müssen. Mehr als 1100 Jahre Geschichteliegen da auf der Ladefläche, eingehüllt in eine Holzkiste, vor Erschütterungen geschützt mit einer Matratze: Der Unterboden eines mittelalterlichen Lehmofens, in dem einst vielleicht Brot für reisende Händler gebacken wurde, die bei Unterföhring die Isar überquerten.

Archäologen hatten das historische Objekt vor sieben Jahren beim Bau des Bürgerhauses auf dem sogenannten Welch-Grundstück entdeckt, nun soll der Backofen an seiner Fundstelle Unterföhringern und Gästen ein eindrucksvoller Zeuge der Ortsgeschichte sein. In einer gläsernen Vitrine direkt neben dem 2010 eröffneten Bürgerhaus wird der etwa eineinhalb Meter breite Lehmofen künftig ausgestellt, gemeinsam mit einer Informationstafel, die seinen Aufbau erläutert.

Die Mitarbeiter transportieren den mehr als 1140 Jahre alten Lehmofen vorsichtig. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Höchstwahrscheinlich hat ehemals eine Kuppel den Lehmboden ergänzt. Die Technik des mittelalterlichen Backgeräts ähnelt der eines Pizzaofens von heute: Mit Holz wurde im Ofen ein Feuer gemacht, die Glut dann beiseite geräumt und auf den erhitzten Steinen das Brot gebacken. Die Brandspuren der Holzkohle sind noch im Lehm zu sehen. Unter anderem anhand von Materialresten konnten Experten das Alter des Ofens bestimmen. Er werde auf die Zeit um das Jahr 871 nach Christus datiert, erklärt die Archäologin Petra Haller. Insgesamt sind auf dem Grundstück die Reste von acht Lehmöfen gefunden worden. Haller vermutet deshalb, dass es in Unterföhring zu dieser Zeit ein Großbäckerei gegeben hat - "Münchens erste Hofpfisterei", wie sie augenzwinkernd sagt.

Dass Unterföhring zu den am frühesten dauerhaft besiedelten Gegenden der Region zählt, vermuten Wissenschaftler bereits seit Jahrzehnten. Die archäologischen Funde der vergangenen Jahre bestätigen es. Neben den Lehmöfen förderten die Grabungen unter anderem den Nagel von der Sohle einer Römersandale und den Teil eines mittelalterlichen Kinderpüppchens aus Keramik zutage. Einige Fundstücke reichen sogar in die Jungsteinzeit zurück, so wie das etwa zehn Zentimeter lange Steinbeil, das die Archäologen 2008 aus dem Lehm bargen. Dieses und andere Fundstücke sind im Bürgerhaus im ersten Stock ausgestellt.

Mit schwerem Gerät und Fingerspitzengefühl hieven Mitarbeiter des Unterföhringer Bauhofs den alten Lehmofen in seine Vitrine neben dem Bürgerhaus. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Lehmofen wurde nach dem Fund getrocknet, eine Restauratorin festigte das Erdreich und füllte Risse auf. Damit er aus dem Depot an seinen neuen Stellplatz in der Außenvitrine gelangen kann, bedarf es einigen Fingerspitzengefühls. Mit vereinten Kräften befreien die Mitarbeiter des Bauhofs den sensiblen Zeitzeugen von seiner Transporthülle, bevor Maschinenführer Otto Fischer mit einem Radlader und viel Geschick den gut eine Tonne schweren Ofen anheben kann. Damit der Lehm nicht bricht, wurde das historische Fundstück auf eine Stahlblechplatte gesetzt. Behutsam senkt Radladerfahrer Fischer die Platte samt Lehmofen schließlich in die eigens angefertigte, belüftete Vitrine ein.

Offiziell wird der Lehmofen den Unterföhringern am Wochenende des Bürgerkulturfests, am Abend des 25. September, präsentiert. Neben dem Fundstück nimmt eine Lasershow die Besucher mit auf eine Reise durch die lange Geschichte des Orts.

© SZ vom 12.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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