Unterföhring:Goebbels' Jazzer und die Lebensblume

Lesezeit: 3 min

Am Samstag startet der Aboverkauf für das Kulturprogramm im Unterföhringer Bürgerhaus. Gerade in den Bereichen Tanz, Musik und Theater stehen interessante Premieren an

Von Udo Watter, Unterföhring

Was hält die Welt im Innersten zusammen? Eine Formel? Gott? Atome? Die Liebe? Bier? Nun, Sinnsucher mit spirituellem Sensorium oder einem Faible fürs Esoterische verweisen gerne auch mal auf die Blume des Lebens, ein ornamentales Muster aus 19 Kreisen, das in gewissen Kreisen als Bauplan kosmischer Ordnung gilt, als Urmuster der Schöpfung. Es soll zeigen, dass alles Leben und Bewusstsein einer einzigen Quelle entspringt. Heilige Geometrie, Harmonie.

Der renommierte Choreograf Johannes Härtl, Artist in Residence im Unterföhringer Bürgerhaus, lässt sich in seiner neuen Produktion "The Flower of Life" (Die Blume des Lebens) von der vielblütigen Einheitlichkeit dieses Symbols inspirieren. In der kommenden Spielzeit wird er das Stück, in dem er der heilenden Kraft des Tanzes und der Musik nachspürt und auf eine bewusstseinserweiternde Reise ins Innere entführt, im Bürgerhaus als Uraufführung zeigen. Den Soundtrack zur sinnlichen Tanz-Expedition liefert das deutsch-amerikanische Love Tribe Dream Team, Susanna Raeven, Maryn Azoff und Jan Paul Werge. Härtls Inszenierungen gehören stets zu den Höhepunkten der Saison, und entsprechend freut sich Florian Nagel vom Kulturamt: "Er will mehr als nur visuelle Begeisterung. Bei ihm hat das immer auch große Tiefe."

Tiefe in seiner Vielfalt hat generell auch wieder das Unterföhringer Kulturprogramm - der Aboverkauf für die neue Spielzeit startet diesen Samstag, 6. Mai. Einige Veranstaltungen stechen als Premieren besonders heraus. Das szenische Konzert "Charlie and his Orchestra - Swing Heil!" beleuchtet Anfang Oktober etwa ein groteskes Kapitel deutscher Rundfunkgeschichte. Eigentlich war der Jazz den Nazis suspekt: Von Schwarzen und Juden erfunden, war er aus ihrer Perspektive rassisch minderwertig, und mit seiner wilden Rhythmik, Individualität und spontanen Improvisationslust ein Affront gegen ihre Weltanschauung. Von 1935 an galt für den Reichsrundfunk das "endgültige Verbot des Nigger-Jazz". Doch für seine Propaganda im Ausland ließ Goebbels fünf gerade sein und mitten im Krieg deutsche Jazzmusiker sowie Kollegen aus dem Ausland für seine Jazzband "Charlie and his Orchestra" rekrutieren. Die Band wurde beauftragt, Arrangements für den deutschen Auslandsrundfunk zu spielen. "Das ist schon eine spektakuläre Geschichte", urteilt Nagel. Bei der Vorstellung in Unterföhring erzählt ein Ensemble aus Musikern, Sängern und Schauspielern auf amüsante Art die tragikomische Geschichte dieser Musikanten in einer turbulenten Zeit.

Hildegard von Bingen gilt als erste Vertreterin der deutschen Mystik des Mittelalters. Das Ensemble "Theaterlust" zeigt das gleichnamige Stück in Unterföhring mit Anja Kawun in der Hauptrolle. (Foto: Hermann Posch)

Eine weitere Premiere wird es im Januar 2018 geben: Das Münchner Ensemble "Theaterlust" zeigt seine neue Produktion "Hildegard von Bingen - die Visionärin". Autorin ist Susanne F. Wolf, die auch die Bühnenadaption von "Die Päpstin" geschrieben hat, für die "Theaterlust" 2014 einen renommierten Inthega-Preis gewonnen hat. Anja Kawun spielt Hildegard, die als Nonne, Autorin, Naturwissenschaftlerin, Ärztin und Komponistin zu einer der größten geistlichen Autoritäten des mittelalterlichen Europa zählte und eine Figur von zeitloser Faszination zu sein scheint.

Ansonsten ist das Programm in der Mediengemeinde gewohnt abwechslungsreich und mit Angeboten aus allen Genres bestückt. Im Bereich Kabarett gastieren Größen wie Wolfgang Krebs, Martin Zingsheim oder Matthias Deutschmann, Freunde der Klassik dürfen sich auf die Solisten der Münchner Philharmoniker freuen oder Verdis "Aida" und im Bereich Schauspiel gibt es interessante Angebote wie "Die Deutsche Ayşe - türkische Lebensbäume" oder "Der Regenmacher", eine romantische Komödie mit der in Unterföhring lebenden Schauspielerin Bojana Golenac.

Der kulturaffine Unterföhringer dürfte freilich auch jenseits des Abo-Angebots noch das ein oder andere Kleinod entdecken: So geben im September die Nachwuchstalente des Jungen Bürgerhauses ihr Theaterdebüt. 15 Jugendliche aus Unterföhring und Umgebung haben unter der Regie von Anschi Prott ein Stück mit dem Titel "Der Kanzler" erarbeitet. Premierentermin dieser Politsatire ist am 22. September. Ein Höhepunkt ist auch seit einigen Jahren die "Unterföhringer Lachnacht", die diesmal mit gleich sechs Gästen plus Moderator Ole Lehman über die Bühne geht - es ist zum fünften Geburtstag eine Art "Best of". Lustig dürfte es auch beim Gastspiel der Wellbappn werden, die Anfang Oktober den Kulturpreis "Unterföhringer Mohr" entgegennehmen werden.

Die Unterföhringerin Bojana Golenac steht in der Komödie "Der Regenmacher" auf der Bühne. (Foto: Theatergastspiele Fürth)

Ein Novum im Kalender ist das Kinoprogramm: Ausgestattet mit neuer Technik werden im Bürgerhaus Filme für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gezeigt. Neben Neuheiten sollen auch Leinwandklassiker zu sehen sein. Hinzu kommen Kinderprogramm und Kunstausstellungen, darunter im November "Fetzen" mit Werken der Malerin Ariane Hagl, die von den gegensätzliche Prinzipien Verfestigung und Zerfall geprägt und der rasenden Informationslawine unserer Zeit inspiriert sind - inklusive Begleitprogramm mit Tanzhappening und Diskussion. Nagel wird's freuen: Auch das dürfte in die Tiefe gehen.

Der Vorverkauf für die Abos beginnt diesen Samstag, 6. Mai, um 10 Uhr, der Wahlabo-Verkauf am Samstag, 13. Mai, um 10 Uhr und Einzelkarten sind von Samstag, 20. Mai, an, erhältlich. Nähere Informationen gibt es unter Telefon 089/95 08 15 06 oder www.buergerhaus-unterfoehring.de.

© SZ vom 05.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: