Unterföhring:Die Show geht weiter

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Das Kulturamt plant ein reiches Programm mit Online-Auftritten, die kurzfristig vor Publikum stattfinden können

Von Udo Watter, Unterföhring

Der Kabarettist Arnulf Rating firmiert als eine der "dienstältesten scharfen Zungen" des Landes. Seine Karriere als Bühnen-Spötter begann in der Tat schon Ende der Siebziger als Mitglied des Westberliner Spaßguerilla-Ensembles "Die 3 Tornados", deren selbst formuliertes Ziel es war, "die Leute oben mit erweitertem Bewusstsein und unten mit nasser Hose aus dem Theater zu entlassen". Die sturmerprobten Tornados gibt es schon lange nicht mehr, Rating selbst ist hingegen von der Bühne nicht runter zu kriegen und den einst artikulierten Anspruch verfolgt er auch in seinem aktuellen Programm "Zirkus Berlin" - nur dass das Publikum sein Bewusstsein diesmal nicht im Theater, sondern in den eigenen vier Wänden erweitern darf (und gegebenenfalls auch die Hosen nass lachen).

Der 69-Jährige wird an diesem Donnerstag, 29. April, die Unterföhringer Kulturspielzeit eröffnen und sich dabei der Frage widmen "Was kommt nach Corona?", die ihn wiederum mitten ins Herz des Berliner Politzirkus führt. Bereits einen Tag später gibt es erneut politisches Kabarett aus der Mediengemeinde, der Rheinländer Christoph Brüske bietet mit "Willkommen in der Rettungsgasse" einen satirischen Notdienst in turbulenten Zeiten an. Freunde der Brettlkunst können diese beiden Veranstaltungen per Livestream aus dem Bürgerhaus Unterföhring verfolgen, Eintrittskarten erwirbt man am besten über die Homepage https://buergerhaus-unterfoehring.de.

Formschön in die neue Saison: Die Benedict Manniegel Dance Company zeigt elaborierte Choreografien. (Foto: Peter Werner)

"Es ist schön, dass wir den Künstlern wieder eine Bühne bieten können" sagt Florian Nagel vom Kulturamt Unterföhring. Mangels Planungssicherheit hat man durchaus länger abgewartet mit ganz konkreten Realisierungsformaten, aber nun gilt: Das Kulturprogramm von April bis August wird via Live-Stream präsentiert, alle Veranstaltungen aus den Genres Musik, Tanz, Theater und Kabarett sind zunächst als virtuelle Veranstaltungen geplant, allerdings können die Verantwortlichen auch kurzfristig reagieren und vor Publikum im Bürgerhaus spielen lassen, sobald es die aktuellen Vorschriften erlauben. Ein "Hybrid-Format", das im Falle des Falles eben auch Präsenzpublikum zuließe.

Die Voraussetzungen für den Kulturgenuss zuhause sind nicht schlecht, zumal das Team des Kulturamts mit der jüngst online präsentierte Bildungsreihe "Was ist Rassismus?" erfreuliche Erfahrungen gemacht hat: "Wir sind technisch gut ausgerüstet, haben drei Kameras und können das Ganze entsprechend dynamisch präsentieren", erklärt Nagel. Da auch die Resonanz gut gewesen sei, gehe er von einem ansprechenden Echo auf das Kulturangebot aus. "Wir bekommen sehr gutes Feedback. Es gibt einen Hunger auf Kultur und viele sagen uns: Haltet durch!", so Nagel.

Das Neue Globe Theater präsentiert "Figaros Hochzeit". (Foto: Philipp Plum)

Darüber hinaus kann sich das Angebot ohnehin sehen lassen - die Benedict Manniegel Dance Company etwa zeigt am 12. Mai "Silhouette" - zeitgenössisches Ballett in kleiner Besetzung, aber mit spannenden Ansatz und einer choreografischen Handschrift, die sich kaleidoskopartig mit der Relation von Form und Inhalt, Wunsch und Wirklichkeit und Schein und Sein beschäftigen sowie zu Klängen von Ravel, Debussy oder auch Klezmer-Musik inszeniert wird.

Die Künstlerin Pe Werner entführt am 18. Mai in "Eine Nacht voller Seligkeit" das Publikum auf eine melancholische Zeitreise, und eine espritgeladene Komödie gibt es am 12. Juni mit "Der tollste Tag oder Figaros Hochzeit" nach Beaumarchais: Die Aufführung verspricht "listige Intrigen und geschliffene Dialoge voller Charme". Mit "Rock me, Hamlet" gibt es bereits am 6. Juni ein Musical, das von klassischen Shakespeare-Texten lebt und ein gerade hochaktuelles Thema anspricht: Das Gefühl, dass "etwas faul sei im Staate" haben ja derzeit nicht im Speziellen die Dänen, sondern Bürger zahlreicher Länder. Die zehn Euro, die pauschal für alle Streaming-Veranstaltungen erhoben werden, sind dagegen alles andere als faul, sondern ein "fairer Eintrittspreis", wie Nagel betont. Insgesamt ist das Programm abwechslungsreich und von der Besetzung her aus naheliegenden Gründen coronakonform.

Arnulf Rating widmet sich diesen Donnerstag dem Berliner Politzirkus. (Foto: Ben Kriemann)

Vor allem Solokünstler und kleine Ensembles aus Musik und Kabarett wie Matthias Ningel, Holger Paetz, Maxi Pongratz. Lucy van Kuhl oder das Süddeutsche Kammerensemble gastieren in Unterföhring. Im Juli steht zudem wieder das Internationale Jazz Weekend auf dem Programm unter anderem mit der Band Ranky Tanky, Grammy Gewinner von 2020. Wie und unter welchen Bedingungen diese Konzerte und andere Veranstaltungen realisiert werden, hängt natürlich stets vom Infektionsgeschehen und den coronabedingten Einschränkungen ab. Geplant sind im Sommer auch wieder diverse Open-Air-Vorstellungen: Hinterhof-Kino und Konzerte. Kulturamtsleiterin Barbara Schulte-Rief freute sich zudem über die Großzügigkeit mancher Unterföhringer Kulturfreunde in Form von Kartenspenden oder anderweitigem Zuspruch, was auch an die Künstlerinnen und Künstler weiter geleitet wurde. Etliche von diesen werden nun in den kommenden Wochen und Monaten im Bürgerhaus auftreten. Der Zirkus, die Show geht weiter: Manege frei, jetzt im Stream.

© SZ vom 28.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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