Unterföhring:Am Anfang stand der Turm

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Die Unterföhringer Pfarrei St. Valentin feiert heuer das 300-jährige Bestehen ihrer barocken Pfarrkirche. In der Festschrift kann man unter anderem nachlesen, dass der markanteste Teil des Bauwerks bereits einige Jahre früher errichtet wurde

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Mathilde Wolfertstetter ist die Begeisterung anzusehen. Ihre Augen strahlen mit den Kerzen um die Wette, wie sie da in der barocken Pfarrkirche St. Valentin in Unterföhring steht. Wolfertstetter hält die Festschrift zum 300-jährigen Bestehen der am östlichen Steilufer der Isar gelegenen Kirche in Händen und blättert in der 56-seitigen Broschüre, die von der Pfarrei herausgegeben wurde aus Anlass des Geburtstages von St. Valentin. Die in einer Auflage von 2000 Stück erschienene Publikation enthält Interessantes über die vergangenen 300 Jahre der Kirche. Illustriert ist die Festschrift mit zahlreichen Fotos, die nicht nur den Blick auf die wertvollen Altäre, Figuren und Fresken lenken, sondern das Gotteshaus auch in Betrieb zeigen: zu Weihnachten etwa oder bei Kommunion und Firmung.

Mehr als ein Jahr lang hat die ehemalige Lehrerin an der Chronik zum Kirchenjubiläum gearbeitet; historisches Fotos gesichtet, neue Aufnahmen gemacht, Texte gelesen, im Diözesanarchiv Aufzeichnungen studiert und alte Rechnungen aufgetan. Diese haben die Baumeister, die mit der Errichtung von St. Valentin zu tun hatten, vor drei Jahrhunderten gestellt. In der Festschrift ist eine "Kürchenrechnung" zum Turmbau von 1702 abgedruckt. Für die Zimmerer-Arbeiten und das Material mussten 26 Gulden und 16 Kreuzer bezahlt werden.

Mathilde Wolfertstetter hat jemanden gefunden, der das in altdeutscher Schönschrift und der damaligen Rechtschreibung gehaltene Dokument "übersetzen" konnte: Mit Klobenrädern wurden seinerzeit die Lasten an Seilen nach oben gezogen. Das Bauholz kam auf dem Wasserweg nach Unterföhring zur Kirchturmbaustelle. Der Turm nämlich wurde zuerst errichtet, danach, 1718, folgte das Kirchenschiff - so wie es Gläubige und Besucher heute kennen. Und an dessen Geschichte im Jubiläumsjahr erinnert wird.

Der Ursprung von St. Valentin liegt jedoch schon viele Jahrhunderte davor: Vermutlich bereits im achten Jahrhundert stand nach den Worten von Wolfertstetter auf dem Hochufer der Isar ein kleines Kirchlein, das dem heiligen Valentin, Maria und dem heiligen Wolfgang geweiht war. Zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde Unterföhring 1180, als "inferius feringin". 135 Jahre später ist in den Konradischen Matrikel die Rede von "Nidervergen"- als Filialkirche mit eigenem Friedhof. Nach dem Dreißigjährigen Krieg stand zwischen 1650 und 1660 ein großer Umbau der Kirche an, die ein knappes halbes Jahrhundert später erneut umfänglich renoviert werden musste.

Damals habe der Oberföhringer Pfarrer Martin Denk, der auch für die Filialkirche St. Valentin zuständig war, mit Unterstützung der ganzen Gemeinde als Erstes den besagten neuen Turm bauen lassen, schreibt Wolfertstetter in der Chronik. Im Juli 1716 dann verfügte Fürstbischof Johann Franz von Eckher, der im Gotteslob als "vornehmster Repräsentant des barocken Freising" bezeichnet wird und einstiger Pfarrherr von Oberföhring war, dass die Unterföhringer Kirche komplett hergerichtet werden muss.

Mit dem Neubau beauftragt wurde im Juli 1716 der Freisinger Hofbaumeister Dominikus Glasl, der zu dieser Zeit auch mit der Errichtung des Ismaninger Schlosses betraut war. Die alte Kirche wurde abgebrochen, im April 1717 legte Fürstbischof von Eckher unter dem Frauenaltar den Grundstein für die neue. Die Unterföhringer Bauern halfen, wo sie konnten, die Ziegel für den Kirchenneubau stammten aus Bogenhausen und Berg am Laim, das Bauholz kam per Floß aus Garmisch und Lenggries und wurde im Priel in Oberföhring aus der Isar geborgen, wie Mathilde Wolfertstetter, 64, zusammenfasst.

1923 wurde St. Valentin eine eigenständige Pfarrei, 2008 ging diese mit Ismaning in einem Pfarrverband auf. Seit dem Kirchenbau von 1718 wurde das Unterföhringer Gotteshaus mehrfach renoviert und restauriert: 1877, 1931, 1980 und 2011, als die Heizung modernisiert werden musste und die Kirche an die örtliche Geothermie angeschlossen wurde. Erneuert wurde zudem die Elektrik, die Außenwände mussten getrocknet werden und auch im Inneren gab es viel zu tun: So wurden die Deckengemälde aufgefrischt und der Hochaltar gereinigt, der Turm bekam neue Treppen und die Kirche eine Pfeifenorgel.

Pfarrgemeinderätin Mathilde Wolfertstetter hat intensiv recherchiert für die Festschrift, mit vielen Leuten gesprochen. Und hat zusammen mit dem Festausschuss der Pfarrei eine bis in den September hinein währende Veranstaltungsreihe zusammengestellt - fast jeden Monat wird an die 300 Jahre St. Valentin erinnert. Start war am vergangenen Sonntag bei einem Festgottesdienst zum Patrozinium mit Weihbischof Rupert Graf zu Stolberg in der geschmückten Kirche. Im Bereich des Hauptaltars bleiben das ganze Jahr über gelb-weiße Banner hängen, eine grüne Girlande umrankt das Portal draußen. Und darüber prangt die Zahl 300 - in Gold.

© SZ vom 18.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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