Tödlicher Unfall in der Isar:"Wir können nur warnen"

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Nach dem tödlichen Unfall streiten die Stadtteilpolitiker über Badeverbote in der Isar. Die SPD will die Auflagen gar lockern.

T. Anlauf und M. Ruhland

Surfer hechten mit ihren Brettern von der Reichenbachbrücke auf der Suche nach der ultimativen Flutwelle. Kanuten kämpfen mit Wasserwalzen, mancher Paddler treibt hilflos auf dem reißenden Fluss. Das Hochwasser der vergangenen Tage hat mehrere Münchner in Lebensgefahr gebracht.

Sommer am Flaucher: Nicht immer sollte man ins Wasser springen. (Foto: sz.lokales)

Ein Mann starb in den Fluten, als er sein Kind aus der Isar retten wollte. Die Behörden registrieren mit Sorge, dass viele Münchner Warnungen und selbst Absperrungen missachten und sich so in Gefahr bringen. "Die Isar ist eben ein Wildwasser", sagt Nikolaus Gradl. Trotzdem hat der SPD-Stadtrat einen Antrag gestellt, die strenge Bade- und Bootsverordnung der Stadt aus dem Jahr 1976 deutlich zu lockern.

Nach dem tödlichen Unfall vom Sonntag, als ein 40-jähriger Münchner sein ins Wasser gefallene Kind retten wollte und dabei ums Leben kam, wollen sich die Stadtratsfraktionen jedoch noch einmal beraten, wie weit die Lockerung gehen soll.

Die SPD überlegt, dass ab einem Pegelstand der Isar von 2,40 Metern, was der Meldestufe 1 entspricht, ein generelles Badeverbot erlassen werden könnte. Am 29. Juni soll der Umweltausschuss darüber abstimmen. Möglicherweise wird eine Entscheidung darüber aber vertagt, sagt Gradl. Das zuständige Umweltreferat hat zwar bereits eine umfangreiche Verordnung erarbeitet, jetzt aber noch einen Passus eingefügt: Bei einem Hochwasser von 1,20 Meter soll das Baden generell verboten werden, sagt Joachim Lorenz vom Umweltreferat. "Bisher gab es keine ausdrückliche Regelung bei Hochwasser", sagt Lorenz.

Für Surfer soll demnach ein Verbot ab der Meldestufe 1 gelten. "Das wird sicherlich einen Aufschrei bei den Surfern geben", befürchtet der Umweltreferent. Zum Vergleich: Am vergangenen Wochenende hatte die Isar fast die doppelte Wassermenge geführt, wie es bei Meldestufe 1 der Fall wäre.

Die CSU im Stadtrat ist mit einem eigenen Antrag zur Lockerung der Auflagen weit zurückhaltender als die SPD. So soll das Befahren der Münchner Gewässer mit Booten und Kanus gegebenenfalls unter Auflagen "weiterhin möglich" sein, zumindest aber der jüngste Status quo beibehalten werden. CSU-Sprecher Thomas Reiner appelliert aber auch an den gesunden Menschenverstand der Bootsfahrer. "Selbst wenn ich ein geübter Kanute wäre, würde ich die Isar momentan nicht befahren", sagt Reiner.

Erst am vergangenen Wochenende kämpfte ein Kanufahrer bei der Großhesseloher Brücke um sein Leben, nachdem er in eine Wasserwalze geraten war. Fast an der gleichen Stelle hatte die Polizei eine Schlauchbootbesatzung aufgefordert, den reißenden Fluss zu verlassen. "Wir können nur warnen", sagt ein Polizeisprecher. Die Menschen müssten eigenverantwortlich handeln. Auch Absperrungen helfen nicht viel. Am Wochenende ignorierten viele Ausflügler Flatterbänder an einem abgesperrten Radweg im Süden Münchens.

Dass bei schönem Wetter Zehntausende an die Isar pilgern, ist auch eine Folge des Isarplans, den Stadt und Freistaat seit zehn Jahren in seltener Einmütigkeit vorantreiben. 1990 begannen die Experten am südlichen Stadtrand auf Höhe der Großhesseloher Brücke, den Fluss zu renaturieren. Inzwischen sind die Ingenieure bis in die Innenstadt vorgedrungen. Der letzte Abschnitt von der Reichenbachbrücke bis zum Corneliuswehr wird voraussichtlich noch Ende diesen Jahres angepackt und im Sommer 2011 fertig.

Erklärtes Ziel des Isarplans (neben besserem Hochwasserschutz und größerer Artenvielfalt) ist es, die Münchner näher an ihren Fluss zu lassen, kurz: den Freizeitwert zu steigern. Deshalb wurden Steilufer abgetragen, flache Kiesufer gebaut, Sitzsteine angebracht. "Die Isar zieht die Leute inzwischen wie ein Magnet an", bilanziert Matthias Junge, Pressesprecher beim Wasserwirtschaftsamt München.

Obgleich sich seine Behörde um das Ökosystem Isar kümmert, beurteilt er die Ansprüche der Erholungssuchenden recht gelassen. "Leute auf Luftmatratzen, Kanu- oder Schlauchbootfahrer beeinträchtigen die Lebenswelt in der Isar nicht stärker als Badende", sagt Junge. Grundsätzlich vertrete er deshalb eine liberale Haltung, was die Wünsche der Surfer und Kanuten betrifft, "solange es keine Einbauten gibt oder irgendwelche Substanzen in die Isar gelangen".

Ein gravierendes Problem sieht Junge aber in der Frage der Haftung, für die die Stadt zuständig sei. Noch immer führe die Isar ein kleines Hochwasser, "da kann man auf keinen Fall Baden oder Bootfahren zulassen". Durch die starke Strömungsgeschwindigkeit des Wassers entstünden massive Walzen. "Und die sind absolut lebensgefährlich."

© SZ vom 08.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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