The XX in der Tonhalle:Gepflegter Weltschmerz

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Meister der Lethargie: The XX begeistern die Indie-Gemeinde weiterhin und füllen mittlerweile die Tonhalle.

Michael Moorstedt

Verzweifelte Fans, die für eine Karte wahrscheinlich auch auf ihre Menschenwürde verzichten würden. Freundeskreise, die von den unerbittlichen Männern am Einlass getrennt werden und im dichten Gewühl nicht mehr zueinander finden. Unschöne Szenen waren es, die sich vor dem 59 to 1 abspielten, als The XX ihr erstes Konzert in München gaben. Die Band war der Hype der Stunde, und skrupellose Pop-Geschäftemacher boten ihre Karten für das Zehnfache im Internet an.

Mit Wucht und Laune: The XX. (Foto: oh)

Ein knappes Jahr später ähneln sich die Zustände, nur spielt sich alles in größeren Dimensionen ab. Die Tonhalle bekommt die Band ebenso locker gefüllt wie den heimeligen Club an der Sonnenstraße, und damit scheint auch die Frage geklärt, ob es sich bei der Begeisterung um die vermeintlich traurigsten Briten aller Zeiten nur um einen besonders ausdauernden Hype oder doch um eine Sache von Substanz handelt.

Das ikonenhafte X, das so gut als Weltschmerz-Markenzeichen funktioniert, schwebt und schimmert hinter der Bühne. Der Name deutet es bereits an - hier sind Meister der Reduktion am Werk. Oft ist diese Musik nicht mehr als eine wummernde Bassline, die lange in den Herzen und Hirnen des Publikums nachhallt.

Dazu spärliche Perkussion vom Drumcomputer und genügsame Melodien, die manchmal aus nur vier, dafür aber genau den richtigen Tönen bestehen. Ein einzelner Klatscher versucht sich am rhythmischen Generve seiner Mitmenschen. Der Rest der 2000 Besucher fügt sich der seltsam wohltuenden Lethargie, die von der Bühne strahlt.

The XX lassen Raum für Interpretationen, und vielleicht ist genau so auch ihr Erfolg erklärt. Mit "Heart Skipped a Beat" haben sie das wohl schönste und zugleich hoffnungsloseste Liebeslied der vergangenen zwei Jahre vorgelegt. Ständig drehen sich ihre Texte um Verlust und Verlangen und um die seltenen Momente, in denen man sich als junger Mensch ganz fühlt. Und nicht fehl am Platz. Zwei Jahre ununterbrochene Tour haben The XX hinter sich, ein Mitglied haben sie an den Stress verloren.

In dieser Zeit sind sie merklich gereift, keine verschüchterten Teenager sondern abgeklärte Twens stehen auf der Bühne. Dazu passt, dass das Konzert nicht mehr nur eine simple Wiedergabe des Albums ist, sondern die Lieder, dort wo es passt, smart neu arrangiert wurden. Mit Wucht und Laune schlägt Bassist Oliver Sim während der einzigen Zugabe auf ein großes Becken ein und schafft es doch nicht, das Publikum wachzurütteln. Der Weltschmerz hallt nach.

© SZ vom 30.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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