Taufkirchen:Wortgewalt statt Wortwitz

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"Die Lage ist zu ernst." Christian Ude verzichtet bei der SPD in Taufkirchen auf kabarettistische Einlagen

Von Iris Hilberth, Taufkirchen

Politisch schwierige Phasen sind für Kabarettisten die besten Zeiten, Satire hat daher zurzeit Hochkonjunktur. Leicht hätte Christian Ude also die momentanen gesellschaftlichen Missstände als Steilvorlage für einen kabarettistischen Abend zum 70. Jubiläum des SPD-Ortsvereins Taufkirchen nutzen können, schließlich ist er für seinen Wortwitz und seine Begabung bekannt. Das hat er aber nicht getan. Wer mit der Ankündigung des ehemaligen Münchner Oberbürgermeisters einen vergnüglichen Abend erwartet hatte, wird überrascht gewesen sein. Vielleicht auch, weil vor zehn Jahren, zum 60. Geburtstag des SPD-Ortsvereins, Ude an selber Stelle die Genossen mit einem humorvollen Auftritt unterhalten hatte. Dieses Mal aber fand er, "ist die Lage zu ernst".

Statt Satire bekamen die Zuhörer daher im gut besetzten großen Saal eine sehr ernste politische Festrede zum Thema "SPD - was nun?" zu hören, die Ude nutzte, um den Parteimitgliedern für die anstehende Bundestagswahl einige Tipps im Umgang mit sich selbst und ihrer Partei mit auf den Weg zu geben. Um damit eine Stunde lang die volle Aufmerksamkeit der Genossen zu haben, brauchte er nicht mehr als eine leere Bühne und ein Mikrofon. Den blauen Sessel, den ihm die Taufkirchner nebst kleinem Tischchen im Rampenlicht des Ritter-Hilprand-Hofs platziert hatten, nahm er nicht einmal zur Kenntnis. Ude, gleicher Jahrgang wie der SPD-Ortsverein Taufkirchen, ist noch weit entfernt davon, sich wirklich zur Ruhe zu setzen. Er versprach: Wenn die Taufkirchner zu ihrem 80. Geburtstag in zehn Jahren einen 80-Jährigen einladen wollten, "dann machen wir wieder Kabarett".

Die SPD in Taufkirchen begeht ihr 70-Jähriges mit Axel Markwardt, Natascha Kohnen, Bela Bach, Birgit Schmidl und Christian Ude. (Foto: Claus Schunk)

Wirkliche Aufheiterung braucht ein SPD-Ortsverein in diesen Tagen auch gar nicht. Man befindet sich weiterhin im Stimmungshoch. Seit die Sozialdemokraten Martin Schulz als Kanzlerkandidaten haben, wittern sie Morgenluft. "Es ist unglaublich, dass wir nicht mehr in diesem depressiven Loch sitzen", sagte auch Ude. Seit sich Parteichef Sigmar Gabriel entschlossen habe, "eine andere Persönlichkeit als Kandidat vorzuschlagen", gehe es mit der SPD aufwärts. Ude warnte seine Partei aber auch davor, sich etwas vorzumachen. "Von Umfragen kann man nicht runterbeißen", sagte er. Stimmungen könnten sich wandeln und bislang hätten sich die Verhältnisse noch in keinem Parlament verändert. Wenn die Ortsvereinsvorsitzenden jetzt stapelweise Parteibücher verteilten, sei das zwar schön und begrüßenswert, "aber wir müssen doch erkennen, dass wir noch nicht wieder so viele Mitglieder haben wie vor vier Jahren".

Ude sieht die derzeitige Chance der SPD vor allem darin, dass die Menschen wieder bereit seien, den Sozialdemokraten zuzuhören. Volle Veranstaltungssäle, Bierzelte und Marktplätze sollte die SPD nutzen, sich aber auch der Gefahr bewusst sein, dass viele Leute jetzt auch zuhörten, "wenn wir Unsinn erzählen". Das zentrale Thema müsse sein: Was müssen wir tun und was lassen, um die Erwartungen der Bevölkerung zu erfüllen?

Vor allem mahnte der ehemalige Münchner OB einen fairen Umgang mit den eigenen Leuten an: "Die SPD sollte sich und ihre Repräsentanten nicht selber so oft in die Pfanne hauen, sondern lieber erklären, warum sie manches getan hat und was heute korrigiert werden kann." Eine große Koalition sei zwar immer unbefriedigend, doch müsse die SPD öfter mal daran erinnern, was sie durchgesetzt habe, zum Beispiel den Mieterschutz und den Mindestlohn. "Sich selbst zu bemäkeln ist im Wettbewerb der Parteien nicht so klug." Es gehe nicht um Schönfärberei, "aber wird dürfen uns selbst nicht klein machen". Ude hält es für abwegig, wenn die SPD so tue, als sei sie unsozial gewesen und würde jetzt das soziale Thema entdecken. "Keiner weiß, was 2003 der bessere Weg aus der Krise gewesen wäre." Die Agenda 2010 habe Vor- und Nachteile gehabt, "aber wir müssen den Leuten auch sagen, warum".

Die CSU in Pullach feiert mit Ilse Aigner, Richard Lechner und Hans Ehm. (Foto: Claus Schunk)

Für Ude ist die Beitrittswelle eine Reaktion. Angesichts der internationalen Entwicklungen mit ihren "grauenhaften Erscheinungen" sehnten sich die Menschen nach historisch bewährten Parteien. Die SPD müsse die Öffentlichkeit wachrütteln. "Demokratie ist nicht selbstverständlich und hält sich nicht von alleine", mahnte er. Es gehe darum, bürgerschaftliches Engagement und politisches Verantwortungsbewusstsein zu verteidigen.

Für den anstehenden Wahlkampf riet Ude den Parteifreunden, das Thema Flüchtlinge "mit großer Sorgfalt" zu behandeln. "Wir müssen das Grundrecht auf Asyl verteidigen und unseren humanitären Verpflichtungen nachkommen", sagte er. Ein Bleiberecht für alle und offene Grenzen seien hingegen kontraproduktiv und in der Bevölkerung nicht mehrheitsfähig. Es helfe nur eine bessere Zukunft für Afrika. "Wir müssen die Fluchtursachen bekämpfen und eine groß angelegte europäischen Entwicklungshilfe aufbauen."

Noch zwei große Themen gab er den Taufkirchner Zuhörern mit auf den Weg: "Vergesst beim Thema Gerechtigkeit nicht das soziale Bodenrecht und die Finanz-Transaktionssteuer." Es gehe um Milliarden. "Dort kann man den Kapitalismus packen. Der Boden kann nicht weglaufen." Natascha Kohnen, die SPD-Generalsekretärin, die sich derzeit um den Vorsitz der Bayern-SPD bewirbt, nickte während des anhaltenden Applauses zustimmend und sagte: "Soziale Bodennutzung und Kapitalsteuer haben wir schon auf dem Schirm."

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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