Taufkirchen:Wirkung ohne Absicht

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Horst Franz Josef lässt seinen Bildern wie auch deren Betrachtern viel Freiheit. Nun stellt der Taufkirchner Künstler in Japan aus

Von Franziska Gerlach, Taufkirchen

Dieser Mann hat nur eine einzige Absicht, wenn er zum Pinsel greift: die Leinwand mit Farbe zu füllen. Horst Franz Josef plant seine Kreationen nicht, wenn er malt, denn geplant - die Zeit, das Budget, den Grundriss eines Gebäudes - das hat er in seinem Beruf lange genug. "Kunst ist für mich eine bewusste Abkehr von der Architektur", sagt er.

Josef, 1953 in Kronstadt in Siebenbürgen geboren, hat in Klausenburg und München studiert, lange Jahre war er als freischaffender Architekt tätig, verantwortete Millionenprojekte, er kennt die Begleiterscheinungen einer Karriere also: den Druck, den Stress, Wochen mit 60, 70 Arbeitsstunden. Gemalt hat er zwar schon immer, wie er erzählt, aber von 2003 an drehte er die Verhältnisse um. "Die Malerei wurde immer mehr, die Architektur immer weniger." Letztere ist ihm als "eine intellektuelle Kopfarbeit" in Erinnerung geblieben. Beim Malen dagegen darf der Schaffensprozess frei und ungesteuert wirken, Josef selbst sagt "unbedarft" dazu, manchmal lässt er eine Farbe am Abend einfach fließen, sie darf dann interagieren mit den anderen, und am nächsten Morgen ist er oft verblüfft über das tolle Ergebnis. "Für mich ist es spannend zu sehen, wie sich ein Bild unter meinen Händen entwickelt." Die Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens (OAG) fand seine Arbeiten nicht nur gut, sie sah darin sogar einen Bezug zu Japan, und deshalb wird Horst Franz Josef aus Taufkirchen nun vom 19.-25. Juni gemeinsam mit seinem Vetter Dieter Josef, einem gelernten Druckgrafiker aus der Nähe von Wien, unter dem passenden Titel "Josef + Josef" im Haus der OAG in Tokio ausstellen. Horst Franz Josefs Sohn, der ein Semester in Tokio verbrachte, hat die Kataloge der beiden Verwandten dort eingereicht - mit Erfolg, wie sich zeigen sollte, als seinen Vater eine Einladung nach Japan erreichte.

Die Bilder für die Reise nach Tokio warten bereits verpackt im Atelier des Künstlers in Taufkirchen. (Foto: Claus Schunk)

Für Josef ist es die erste Ausstellung im Ausland. Wenige Tage vor der Abreise sind die Bilder bereits ordentlich verpackt, und in seinem Atelier in Taufkirchen freut sich Josef darauf, die japanische Kultur kennenzulernen, oder genau: zu überprüfen, ob die Bilder im Kopf denn stimmen. Er möchte eintauchen in die Städte, die Menschen kennenlernen, denen ja der Ruf vorauseilt, schwer zu fassen zu sein. Aber zurück zur Kunst, die sich freilich nie ganz von der Persönlichkeit ihres Schöpfers isolieren lässt: Josef arbeitet am liebsten mit Acryl, bestimmte Länder habe er aber nicht im Sinn, wenn er male - es regiert schließlich das Prinzip des Zufalls. Doch wer sich die zwölf Bilder ansieht, die Josef für die Ausstellung in Tokio ausgewählt hat, den erinnern die zart geschwungenen Linien dann doch an die Kunst der Kalligrafie, und dieser winzige rote Punkt, der lässt sich freilich als jener Sonnenball deuten, den man auch von der japanischen Flagge kennt. Die japanische Kalligrafie, sagt Josef dann mit seiner ruhigen Stimme, resultiere aus einer inneren Haltung. Das Innere nach außen bringen, das ist nun wiederum etwas, das in gewisser Weise auch auf Josef zutrifft.

Die Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens erkannte in Horst Franz Josefs Werken einen Bezug zu Japan: zart geschwungene Linien, viele gedeckte Farben, abstrakte Formen. (Foto: Claus Schunk)

Wer den Künstler in seinem Atelier besucht, der merkt nämlich schnell: Wenn Josef über seine künstlerische Tätigkeit spricht, dann hat das beinahe philosophische Qualitäten, und die kommen nicht von ungefähr. Josef hat sich mit dem Zen-Buddhismus beschäftigt, mit Feng Shui und mit Haikus, einer alten japanischen Gedichtform. Dass er bei Europäern oft den Zugang zur Spiritualität vermisst, wundert da nicht sonderlich. Er selbst ist dagegen ganz offenbar fähig zur Reflexion. Und es ist wohl gerade diese Tiefe, die - verbunden mit einer behutsamen Annäherung an die Kunst - den Zauber seiner Bilder ausmacht. Nichts schreit hier nach Aufmerksamkeit. Horst Franz Josef, so sagt er, ist noch nicht einmal beleidigt, wenn sich jemand nicht angesprochen fühlt von seinen Bildern. Das könnte man nun als Koketterie abtun. Doch seine Bescheidenheit ist nicht nur echt, sondern sogar von der Sorte, die bisweilen die Grenze zur Umsicht überschreitet. Erst vor vier Jahren hat er seine Werke das erste Mal ausgestellt, in der Orangerie in München. Das sei eben der Zeitpunkt gewesen, an dem er überzeugt war, er könne seinen Bildern den Betrachter zumuten. "Und umgekehrt", wie er lachend erzählt.

Horst Franz Josef plant seine Kreationen nicht, wenn er malt. (Foto: Claus Schunk)

Dem Gegenständlichen hat Josef längst entsagt, es interessiere ihn nicht mehr, seit man nur mehr sein Smartphone zu zücken brauche, um ein Foto zu knipsen. Der kleine Hirschkäfer, den er im Jahr 1970 gemalt hat, wirkt mit seinem hübschen Rahmen fast ein wenig deplatziert inmitten all seiner abstrakten, oftmals großflächigen Arbeiten. Und doch haftet diesen nichts Wuchtiges an, sie biedern sich dem Betrachter nicht an, und diesem vorschreiben, was er hier oder da zu sehen habe, das käme ihnen schon gleich gar nicht in den Sinn. Josef arbeit vor allem mit gedeckten Farben, eine Arbeit ist himmelblau, hier und da leuchtet eine rote Fläche, so richtig bunt aber wird es nie. Manchmal finden Dinge Eingang in seine Kompositionen, die er auf der Straße findet. Eine Wurzel, ein Drahtring, ein Stück Teer. Jedes für sich hat seine Daseinsberechtigung in der Kunst, nichts ist zu "gering", wie Josef das formuliert, denn: "Auch das Geringste kann seinen Platz finden in der Bildsituation, und dann ist es plötzlich ganz wichtig."

© SZ vom 16.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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