Taufkirchen:Schuld und Sühne

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Die Taufkirchner Baurätin Tanja Debes spielte eine zentrale Rolle bei der Amtsenthebung von Bürgermeister Jörg Pötke vor drei Jahren. Jetzt betreibt dessen Nachfolger Ullrich Sander ihren Rausschmiss aus dem Rathaus und es stellt sich die Frage: Muss die Geschichte in Teilen umgeschrieben werden?

Von Iris Hilberth, Taufkirchen

Das Ende war reine Formsache. Keine Diskussion, das Ergebnis einstimmig. Der Tagesordnungspunkt zwei der Taufkirchner Gemeinderatssitzung vorige Woche hatte auch eher mäßig spannend geklungen, eben so wie es Formulierungen im Verwaltungsdeutsch zulassen: "Änderungssatzung zur Hauptsatzung Paragraf 3, berufsmäßiges Gemeinderatsmitglied". Dass hinter diesem formalen Akt der Schluss einer langen, nicht gerade rühmlichen Geschichte steckt, wissen zumindest diejenigen, die die Personalie kennen, die mit dem Tagesordnungspunkt verbunden war. Bauamtsleiterin Tanja Debes, deren Amtszeit als berufsmäßige Gemeinderätin mit der einstimmigen Entscheidung zum Mai 2017 für beendet erklärt wurde, spielt eine maßgebliche Rolle in dieser Geschichte, die Taufkirchen aufgewühlt und gespalten hat, den Ort vor vier Jahren überregional in die Schlagzeilen und den damaligen Bürgermeister Jörg Pötke um sein Amt gebracht hat.

Die Geschichte wurde oft erzählt, fortgeschrieben und wieder aufgewärmt. Viele in Taufkirchen wollen von dem Drama aus Intrigen und Affären nichts mehr wissen. Zumal die Rollenverteilung in Sachen Fehlverhalten von Führungskräften, heulenden Angestellten und Mobbing-Vorwürfen nicht zuletzt durch die Dienstenthebung des Bürgermeisters geklärt schien. Hinterfragen wollte folglich kaum einer mehr die Zuschreibung von Schuld und Unschuld, von Opfer und Täter. Dass Pötke selbst nie locker ließ, die Dinge juristisch klären zu lassen, der Justiz Verschleppung vorwarf und immer wieder seine Überzeugung thematisierte, wonach man ihm übel mitgespielt habe, wollten selbst viele seiner einstigen politischen Weggefährten aus der Gruppierung "Initiative Lebenswertes Taufkirchen", kurz ILT, nicht mehr hören.

Daran änderte auch der Umstand nichts, dass das Verwaltungsgericht das Verfahren gegen Pötke sang- und klanglos einstellte und die Rathausbediensteten ihre Klagen gegen ihren ehemaligen Chef zurückzogen. Auch Debes. Entscheidend war: Pötke war weg und seit der Kommunalwahl 2014 hat Taufkirchen einen neuen Bürgermeister.

Doch inzwischen sehen selbst Gemeinderatsmitglieder die Geschehnisse um den geschassten Bürgermeister zumindest ein wenig anders. Auch wenn das öffentlich kaum einer zugeben will und sich mit diesem Eingeständnis erst recht keiner namentlich zitieren lässt. Hinter vorgehaltener Hand sagt aber sogar einer von seinen politischen Gegner heute: "Vielleicht habe ich Herrn Pötke Unrecht getan."

So weit wollen andere im Gemeinderat nicht gehen, schließlich war man damals unter den Kommunalpolitikern froh, den Mann, den man nie als Rathauschef haben wollte, los geworden zu sein. Und ist es im Nachhinein immer noch. Pötke polarisiert weiter, bleibt für viele ein rotes Tuch. Und doch relativiert sich mit den jüngsten Ereignissen im Rathaus einiges von dem, was damals geschehen ist, muss die Causa Pötke womöglich in einigen Punkten umgeschrieben werden.

Als vor gut drei Wochen der Gemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung die Weichen für eine Trennung von der Baurätin stellte, wurden erstmals offen Gründe für die Entscheidung laut. Von neuem Zwist im Rathaus war die Rede, und davon, dass man die schlechte Stimmung und das unkollegiale Verhalten vor allem der Leiterin des Bauamts zuschreibt. "Sie hat sich in Themen eingemischt, die sie nichts angehen, und Mitarbeiter aus anderen Abteilungen kontrolliert", sagte etwa Alfred Widmann, der Zweite Bürgermeister. Dass die Mitarbeiter der Bauabteilung ein Solidaritätsschreiben für ihre Vorgesetzte verfasst hatten, beeindruckte das Gremium wenig. "Aus anderen Bereichen hat keiner unterschrieben", so Widmanns süffisanter Kommentar. Debes habe aus der Geschichte Pötke nichts gelernt, findet auch Herbert Heigl, der Sprecher der CSU-Fraktion.

Ganz eindeutig hatte man die Rolle der Bauamtsleiterin in der Pötke-Geschichte auch im Gemeinderat nie gesehen. Die Spitzenbeamtin war 2011 von Vaterstetten nach Taufkirchen geholt worden, um die Stelle mit einer hochqualifizierten Kraft zu besetzen. Dazu hatte man hingenommen, eigens den Posten einer berufsmäßigen Gemeinderätin einzuführen, die höher bezahlt wird als eine normale Bauamtsleiterin. Wen man sich da aber ins Haus geholt hatte, wurde vielen offenbar so richtig erst in den vergangenen Monaten klar.

Da war zum einen die kompetente Beamtin mit exzellenten Zeugnissen, die Taufkirchens Bausachen in ordentliche Bahnen lenken sollte und die von der einstigen Hauptamtsleiterin empfohlen worden war. Letzteres allerdings wohl vor allem aus persönlichen Gründen. Beide kannten sich aus gemeinsamen Zeiten im Rathaus der unterfränkischen Stadt Alzenau.

Kaum war Debes von Vaterstetten nach Taufkirchen gewechselt, gab es jedoch erste Anzeichen, dass eine Zusammenarbeit mit der neuen Führungsclique schwierig war. Von "außerordentlich bedauerlicher Respektlosigkeit gegenüber einigen Beschäftigten", berichtete Bürgermeister Pötke später. Dass er an diesen nicht unbeteiligt war, gibt er zu. Er betont aber, "Derartiges" sei erst mit Debes' Amtsantritt eingerissen.

Wer in diesem Fortgang der Geschichte wen beeinflusste, ist schwer nachprüfbar. Michael Lilienthal, der Fraktionschef der Freien Wähler im Gemeinderat, sagt heute: "Da sind zwei Alpha-Tiere aufeinander getroffen." Zunächst pflegten Pötke und Debes ein enges Verhältnis. Als dieses in die Brüche ging, wechselte die Baurätin die Seiten. Seither gerierte sie sich als Opfer des Bürgermeisters, war eine Hauptbelastungszeugin der Landesanwaltschaft im Verfahren gegen Pötke. Dieser wirft ihr seinerseits Schauspielerei vor und rechnet sie den "Brandstiftern" zu, die schuld an seiner Dienstenthebung seien.

Wirklich hinterfragt hat die wechselnde Rollenverteilung bis heute weder der Gemeinderat noch die Landesanwaltschaft, die Dienstaufsichtsbehörde. "Eine vorpreschende Behörde und ein Presse-Hype sorgten für eine Skandalisierung", klagte Pötke nach seiner Absetzung. Es sei eine "Dampflok auf die Schiene gesetzt und laufend Kohle nachgeschippt" worden. "Es gab keine Besinnung, geschweige denn ein Zurück." Pötke wirft den Ermittlungsbehörden vor, sie hätten sich von "emotional vorgetragenen Lappalien und substanzlosen Behauptungen einiger zu verbohrtem Belastungseifer" animieren lassen.

Und in der Tat bleibt ein schaler Nachgeschmack: Alle Vorwürfe gegen den einstigen Bürgermeister versandeten letztlich. Die Landesanwaltschaft stellte das Disziplinarverfahren gegen Pötke schlussendlich ein, noch bevor die Hauptverhandlung begonnen hatte. Der Grund: Pötkes Amtszeit war ausgelaufen, ein neuer Bürgermeister gewählt. Damit gab es auch kein öffentliches Interesse mehr an einer Aufklärung.

Pötke aber blieb im Gedächtnis der Leute der Mobbing-Bürgermeister. All seine Versuche, doch noch die Geschehnisse und Hintergründe aufzuklären, um seinen ruinierten Ruf wiederherzustellen, liefen ins Leere. Taufkirchen war bemüht, wieder zur Tagesordnung überzugehen und die Vergangenheit möglichst ruhen zu lassen.

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Gut drei Jahre nach der Amtsenthebung von Bürgermeister Jörg Pötke...

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... trennt sich dessen Nachfolger Ullrich Sander von...

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...der Leiterin des Bauamts, Tanja Debes.

Nun war der einstige Bürgermeister sicher kein unumstrittener Chef. Das behauptet er selbst auch gar nicht. Schon bevor er die Bauamtsleiterin ins Rathaus geholte hatte, war er zumindest bei einem Teil der Belegschaft nicht unbedingt beliebt. Da war auf einmal ein Mann aus der freien Wirtschaft ins Rathaus gekommen, ein freiberuflicher Zahnarzt, der Vorgesetzter von Ämtern wurde, in denen man es gewohnt war, dass manche Dinge ihren gewohnten Gang gingen und auch mal länger dauerten. Pötke, ein rastloser, ungeduldiger, streitlustiger Mensch, machte Druck, forderte Leistung, strich Vergünstigungen und Privilegien. Heute räumt er ein, dass es ein "Strategiefehler" gewesen sei, zu schnell zu viel von den Mitarbeitern zu erwarten. Doch sei ihm damals auch bewusst gewesen, dass er wegen seines Alters nur diese eine Amtszeit von sechs Jahre hatte, um Dinge in der Gemeinde grundlegend zu ändern. Dafür hätten ihn die Leute schließlich gewählt.

Rückendeckung aus dem Gemeinderat hatte er von Anfang an nur begrenzt. Seine Gruppierung, die Initiative Lebenswertes Taufkirchen (ILT) verfügte über keine eigene Mehrheit. Und für CSU und SPD war es ohnehin bloß ein Irrtum, dass dieser Mensch, der ihnen schon als einfacher Gemeinderat auf die Nerven gegangen war, an die Spitze des Rathauses gewählt wurde. Die Chance, ihn loszuwerden, elektrisierte daher viele. Genau hinschauen wollten folglich die wenigsten, als Beschwerden über den neuen Chef laut wurden. "Der Feind meines Feindes ist mein Freund", begründet Pötke heute die Solidarisierung der politischen Entscheidungsträger mit Teilen der Belegschaft.

Nachdem Pötke Ende 2012 über Nacht aus dem Rathaus gedrängt wurde, war eine andere nach längerer Abwesenheit umgehend wieder da: Baurätin Debes. Man maß dem keine weitere Bedeutung bei. Taufkirchen blickte in die Zukunft, wählte einen neuen Bürgermeister, der sich betonte parteifrei gab. Dass er und Debes befreundet waren, wusste jeder. Ullrich Sander, der neue Rathauschef, machte auch gar kein Geheimnis daraus.

So hätte die Geschichte hier zu Ende sein können, mit dem Fazit, dass Pötke an sich selbst gescheitert ist und Debes einen Chef gefunden hat, mit dem sie klar kommt. Doch so ist es nicht. Debes suchte offenbar auch unter dem neuen Rathauschef eine dominante Rolle, Sander aber wollte nicht Bürgermeister unter seiner Bauamtsleiterin sein. Mehr noch: Auch Sander sah sich bemüßigt, im Rathaus aufräumen zu müssen. "Er hat mit Kündigung, Abmahnung, Zuständigkeitsänderung innerhalb seiner ersten drei Monate noch zügiger als ich gezeigt, dass er disziplinarisch und strukturell zu reagieren im Stande ist", stellte sein Vorgänger schon 2014 anerkennend fest. Und er merkte süffisant an: "Wobei ich hoffe, dass es die richtigen Personen trifft." Wen Pötke damals meinte, sagte er nicht, und auch Sander wollte sich dazu nicht äußern. Doch jetzt zog er die Notbremse. Öffentlich spricht er von einem "Zerwürfnis" mit der Baurätin.

Und was sagt diese? Nichts. Tanja Debes, die zurzeit nicht im Rathaus ist, sagt auf Anfrage der SZ, sie wolle sich zu alldem nicht äußern.

Und Pötke? Lacht der sich nun ins Fäustchen? Empfindet er Genugtuung? Spricht man mit ihm, gewinnt man einen anderen Eindruck. Zu sagen, er hätte mit der ganzen Geschichte abgeschlossen, wäre übertrieben, aber Jörg Pötke strahlt zumindest eine gewisse Gelassenheit aus. "Ich bin wie ein Indianer, der am Fluss sitzt, bis seine Gegner vorbeiziehen", sagt er. Und: "Es war mir klar, dass alle irgendwann drauf kommen werden."

Trotz allem schaut er nicht im Gram zurück auf seine Zeit als Bürgermeister von Taufkirchen. "Ich möchte sie nicht missen, es war schön und spannend."

© SZ vom 24.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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