Taufkirchen:Nord-südliches Sex-Geflüster

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Jan Bodinus' Adaption von Andrea Sixts "Eine ganz heiße Nummer" funktioniert in Taufkirchen

Von Julian Carlos Betz, Taufkirchen

Verwunderlich, denkt man sich erst einmal, als die Personen sich im Stück unter der Regie von Jan Bodinus begrüßen: "Moin" heißt es dort und Hamburg als nächste Großstadt ist nicht weit. Verwunderlich ist das nun deshalb, weil die ursprüngliche Fassung von Andrea Sixts "Eine ganz heiße Nummer" aus dem Jahr 1998 schließlich mitten im bayerischen Wald spielt. Das ist dann, als würde man auf eine englischsprachige Lesung eines deutschen Autors gehen, um sich das Werk mal von einer anderen Sprach-Warte aus anzuhören. Tatsächlich funktioniert diese etwas ungewöhnliche Konstellation einer in Bayern aufgeführten, norddeutschen Adaption eines bayerischen Textes dennoch gut. Vielleicht wegen der gar nicht mal so großen Unterschiede zwischen Nord und Süd entwickelt das Stück im Taufkirchner Kulturzentrum einen ganz eigenen Charme.

Im Zentrum stehen dabei drei Frauen vom Lande, Melanie, Waltraud und Lena, deren alteingesessener Tante-Emma-Laden nicht mehr genug einbringt und zusätzlich noch durch einen gekündigten Bankkredit bedroht wird. Franziska Traub, die manchem aus der Fernsehserie "Ritas Welt" bekannt ist, spielt dabei die pragmatische und zupackende, dabei etwas ungeschickte, aber umso sympathischere Melanie, durch deren Initiative die ganze Idee mit der eigenen Sex-Hotline überhaupt erst aufkommt.

Während Waltraud und Melanie in fortgeschrittenem Alter keine Ambitionen mehr haben, ihre Freiheit in der Stadt zu suchen, muss die junge Lena, gespielt von Hannah Baus, erst einmal lernen, dass die Großstadt nicht alles hält, was sie verspricht. Nach dem ersten Liebesscheitern stößt sie schließlich als dritte im heilig-unheiligen Bunde der eifrigen Telefonsexarbeiterinnen hinzu und komplettiert das Trio mit spritzigem Elan.

In einer abwechslungsreichen Tour von Intrigen und kleineren Konflikten mit dem Ortspfarrer und der Dorfgemeinde schaffen es die drei schließlich, ihre finanzielle Existenz mittels der horrenden Rechnungen an die Anrufer zu sichern, gekrönt von Champagner und einem neuen Level von Selbstsicherheit und Unabhängigkeit für die drei Frauen.

Seinen Humor entfaltet das Stück auf so einfache wie solide Weise: Mal rollen die Damen ihre Yogamatten aus, um sich körperlich fit zu halten, und machen den "Löwen" mit herausgestreckter Zunge vor der Kulisse des Geschäfts. Oder sie bereiten sich umfangreich auf ihre neue Tätigkeit vor, indem sie erst einmal einen Sex-Shop in der Lüneburger Heide besuchen, der von einem sächsisch-sprechenden Verkäufer in durchsichtigem Netz-Shirt gemanagt wird. Nach der Pause trippeln sie sogar mit Schleier und Sonnenbrille verkleidet zwischen den Tischen und Zuschauerreihen hindurch, um die Flyer für ihren Service zu verteilen. Wackelnde Doppel-Dildos, die vor allem die junge Lena sichtlich verstören, der empörte Pfarrer, aber auch der Bankangestellte, der zu Beginn die Hiobsbotschaft des gekündigten Kredits überbringt und schließlich selbst zum Kunden der drei wird, bilden mit vielen anderen locker-leichten Details das Panorama des Abends, in dem sich immer wieder große Beifallsbekundungen und von Klatschen begleitete Lacher wiederfinden. Begeistert aufgenommen wurde auch die Performance von Nicole Belstler-Boettcher, die als Waltraud mit französischem Akzent und rauchiger Stimme den Pfarrer an der Telefon-Angel hat.

Letztlich kommt es sogar zur unerwarteten Annäherung zwischen dem Banker, der sich selbst als eine "Mischung aus Tom Kaulitz und George Clooney" beschreibt, und der stark gespielten Melanie, die sich schließlich als etwas unförmige Heidi Klum zu erkennen gibt. Melanie entscheidet sich jedoch dazu, allein zu verreisen und den Mann erst einmal Mann sein zu lassen. Eine wichtige Lektion, die das Stück zum Schluss den Zuschauern unverbindlich mitgibt.

© SZ vom 05.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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