Taufkirchen:Kopfschütteln hinter der Glasscheibe

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150 Gegendemonstranten treffen beim Auftritt der rechtspopulistischen Europaabgeordneten Beatrix von Storch auf hundert AfD-Anhänger. Doch die Konfrontation verläuft gesittet und friedlich

Von Martin Mühlfenzl, Taufkirchen

Vielleicht ist das ja das Bild dieses Abends: Die Demo vor dem Taufkirchner Kulturzentrum ist längst vorbei, im Saal spricht noch immer die AfD-Europaabgeordnete Beatrix von Storch - und mitten auf dem Rathausplatz stehen David Grothe und Torsten Probst und reden. Sie schreien sich nicht an, es ist kein lauter Streit, sie werden nicht unflätig oder gar handgreiflich - der Grünen-Gemeinderat Grothe und der AfD-Kreisvorsitzende Probst diskutieren.

Die Aufregung in Taufkirchen vor dem Wahlkampfauftakt der Rechtspopulisten im Landkreis war enorm. Der Gemeinderat hatte sich mehrheitlich gegen den Auftritt der Berlinerin Storch ausgesprochen. Allein Bürgermeister Ullrich Sander (parteilos) fühlte sich an das Votum nicht gebunden, ließ den Beschluss von der Rechtsaufsicht prüfen, die diesen dann kippte - während über die Klage der AfD gegen den Beschluss noch nicht entschieden war. Am Ende verständigten sich die Fraktionen im Gemeinderat darauf, mit einer Demonstration gegen den Auftritt der umstrittenen Politikerin zu protestieren, direkt vor dem Kulturzentrum.

Die beiden jungen Gemeinderäte David Grothe und Matteo Dolce von der SPD haben den Protest organisiert - und mehr als 150 Menschen folgen dem Aufruf zu der Kundgebung. Im leichten Nieselregen vor dem Rathaus ist es Taufkirchens zweiter Bürgermeister, Alfred Widmann (SPD), der alle Bürger seiner Gemeinde in die Pflicht nimmt und darauf verweist, was den Ort auszeichnet. "In Taufkirchen wohnen um die hundert Nationalitäten. Das sagt doch alles", erklärt Widmann. "Wir sind eine weltoffene Gemeinde und das wollen wir auch bleiben." Widmann stellt sich demonstrativ vor die Bürger mit ausländischen Wurzeln: "Wir brauchen keine Angstreden in Taufkirchen, die unsere ausländischen Mitbürger verunsichern."

Während aus den Lautsprechern der Anti-AfD Song der Band Jennifer Rostock schallt, schlängeln sich die ersten Besucher der AfD durch die Menge Richtung Kulturzentrum. Teilweise bleiben sie stehen, blicken auf die bunten Plakate und kleinen Zettel, die den Platz umrahmen. "Taufkirchen ist bunt", ist darauf zu lesen. Oder: "Und schon gar nicht braun." Am Rand sichern Polizisten die Veranstaltung, eingreifen müssen sie nicht - es bleibt friedlich an diesem Dienstagabend.

Von den Protesten vor dem Taufkirchner Kulturzentrum bekommt die AfD-Europaabgeordnete Beatrix von Storch nichts mit, sie ist durch einen Seiteneingang in den Saal gekommen. (Foto: Claus Schunk)

Am Eingang zum Kulturzentrum kontrollieren Angestellte eines privaten Sicherheitsdienstes die Besucher des AfD-Wahlkampfauftakts, Taschen und Rucksäcke werden begutachtet. Durch die hohen Fensterscheiben blicken die Anhänger der Partei auf das bunte Treiben draußen, manche mit einem Kopfschütteln. Eine Stunde nach der Demo tritt der Kreisvorsitzende Probst auf die Bühne, ihm folgt sein Stellvertreter Gerold Otten aus Putzbrunn, Direktkandidat für den Wahlkreis München Land. Probst sagt, er liebe Bayern, vielleicht sogar "mehr als die da draußen, die für ein buntes Taufkirchen demonstrieren". Die erste Marke ist gesetzt. Hauptrednerin aber ist die wegen ihrer Äußerungen zum Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge umstrittene Europaabgeordnete Beatrix von Storch. Auch der Grüne David Grothe lauscht anfangs den Ausführungen, bis zum Ende aber hält er nicht durch.

Es sind die bekannten Thesen, die Storch den etwas mehr als hundert Interessierten präsentiert - von der Medienschelte, über die fehlende CSU-Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge im gemeinsamen Programm der Union, schärfere Regelungen bei der Zuwanderung, mehr direkte Demokratie. Den Nerv ihrer Anhänger trifft Storch.

Wer auf keiner der beiden Veranstaltungen an diesem Abend auftaucht, ist Taufkirchens Bürgermeister. Vor dem Kulturzentrum aber wird deutlich, dass sich die Demonstration auch gegen das Verhalten Sanders im Vorfeld der AfD-Veranstaltung richtet. "Der Sander ist wirklich unmöglich", ist eine der freundlicheren Aussagen über den Rathauschef aus der Menge. Grothe bemerkt in seiner Rede, dies sei "ein trauriger Tag für Taufkirchen". Da aber hat er sich ein wenig getäuscht, denn bedrückend ist die Stimmung auf dem Rathausplatz nicht. Später zeigt Grothe sich selbst begeistert angesichts der Zustimmung aus der Bevölkerung: "Ich hatte nur mit 40 Leuten gerechnet." Und es wird viel diskutiert und gesprochen - nicht nur übereinander. Nur gelingt es nicht in allen Fällen, sich auf gemeinsame Positionen zu verständigen. Aber das hat auch niemand erwartet.

© SZ vom 13.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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