Taufkirchen:"Kinderlosigkeit ist ein großes Tabuthema"

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Lydia-Maria Schulz arbeitet im Familienstützpunkt Taufkirchen. (Foto: privat)

Lydia-Maria Schulz bietet im Familienstützpunkt einen Gesprächsabend für Betroffene an, der allen offensteht

Interview von Marie Heßlinger, Taufkirchen

Ein unerfüllter Kinderwunsch stellt für Paare häufig eine große Belastung dar. Viele suchen deshalb sogenannte Kinderwunschkliniken auf. Doch auch dies kann eine kräftezehrende Erfahrung sein. Der Familienstützpunkt Taufkirchen wird deshalb einen offenen Gesprächsabend für kinderlose Menschen anbieten. Lydia-Maria Schulz, Sozialpädagogin und systemische Paar- und Einzeltherapeutin, wird diesen moderieren.

Frau Schulz, wie oft begegnet Ihnen in Ihrem Beruf das Problem eines unerfüllten Kinderwunsches?

Lydia-Maria Schulz: Das Thema begegnet mir gar nicht so oft, denn Kinderlosigkeit ist ein großes Tabuthema. Dabei bleibt jedes zehnte Paar in Deutschland kinderlos. Vielen fällt es schwer, bei unerfülltem Kinderwunsch Sorgen und Ängste mit der Familie und Freunden zu teilen. Diesen Menschen möchte ich die Möglichkeit geben, mit jemandem zu reden. Mir ist es wichtig, das Thema zu enttabuisieren und einer Stigmatisierung entgegen zu wirken.

Was kann so ein unerfüllter Kinderwunsch mit einem Menschen machen?

Manche Paare versuchen jahrelang erfolglos, Kinder zu kriegen. Das kann Ängste, depressive Reaktionen und Krisen in der Partnerschaft auslösen, es kann sich auf das Sexualleben auswirken, sowie Minderwertigkeitsgefühle und Selbstvorwürfe hervorrufen. Wenn es nicht funktioniert, folgt ein großer Abschieds- und Trauerprozess für die Betroffenen.

Sind unerfüllte Kinderwünsche ein Problem unserer Zeit?

Die Unkenntnis über die eigene abnehmende Fruchtbarkeit ist schon ein Thema unserer Zeit. Das Berufliche und das Private stehen bei vielen in der Lebensplanung erst einmal im Vordergrund. Mit "Social Freezing" wurde beworben, dass man mit 40 Jahren auch noch schwanger werden könne. Da stand dann dieses Versprechen im Raum: "Ich kann mich noch ausleben." Nur ist es eben doch nicht so einfach, mit eingefrorenen Eizellen schwanger zu werden. Und vielen ist nicht bewusst, dass der Prozess, künstlich oder natürlich schwanger zu werden, Jahre dauern kann.

Was hat es denn mit diesen Kinderwunschzentren auf sich?

Das sind spezialisierte Arztpraxen, die Patienten beim Versuch schwanger zu werden, unterstützen. Dabei gibt es unterschiedliche Methoden: die assistierte Reproduktionsmedizin, zum Beispiel künstliche Befruchtung, oder die Unterstützung im natürlichen Zyklus. Eine Behandlung kann erfolgreich, aber auch langwierig, teuer und durch die Hormonbehandlungen körperlich sehr belastend sein.

Wie stellen Sie sich Ihren offenen Gesprächsabend vor?

Der Abend soll offen für alle sein: für Alleinstehende, für Paare, für Homosexuelle, für Heterosexuelle. Ich stelle mir vor, dass jeder Fragen stellen und über seine Sorgen reden kann, egal, ob er am Anfang oder am Ende der Behandlung steht, ob er voller Hoffnung ist oder emotional am Ende. Die Menschen können sich gegenseitig beraten, sie sind die Experten im Thema. Ich kann schauen: Wo steht der Einzelne und besteht noch Bedarf nach einem Einzel- oder Paargespräch? Wenn die Nachfrage da ist, soll der Abend ein regelmäßiges Angebot werden.

Lydia-Maria Schulz, 46, lädt Menschen mit Kinderwunsch zu einem offenen Gesprächsabend ein. Dieser beginnt am Donnerstag, 27. Juni, um 19 Uhr im Seminarraum des Familienstützpunktes, am Ahornring 119, in Taufkirchen. Der Familienstützpunkt ist ein Gemeinschaftsprojekt des Vereins Integra und der Nachbarschaftshilfe Taufkirchen. Das Treffen am Donnerstagabend ist kostenlos und bedarf keiner Anmeldung.

© SZ vom 21.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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