Taufkirchen:Hirngespinste eines Patienten

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Gerd Anthoff bringt das Thema Demenz auf die Bühne

Von Udo Watter, Taufkirchen

Kulturpessimisten behaupten beim Anblick Display-fixierter Teenager ja gerne, die heutige Jugend gebe freiwillig ihren Verstand an die Maschinen ab. Ob das nun in dieser Drastik zutrifft oder nicht - auf der anderen Seite der Generationenskala gibt es in gewisser Weise eine ähnliche Problematik, nur dass da die Freiwilligkeit definitiv nicht gegeben ist: Demenz oder Alzheimer-Demenz betrifft Menschen im höheren Lebensalter, meist so von 65 Jahren an und sie führt zum Verlust der mentalen Autarkie und zur Verschlechterung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Oft wird das begleitet von einer zunehmenden Unfähigkeit, die Erfordernisse des täglichen Lebens zu meistern oder von Verhaltensauffälligkeiten.

In die innere Erfahrungswelt eines Alzheimer-Kranken taucht der niederländische Autor J. Bertlef in seinem Text "Hirngespinste" ein, den der Theater- und TV-Schauspieler Gerd Anthoff ("Löwengrube" "Der Kaiser von Schexing", "Der Bulle von Tölz") an diesem Mittwoch im Kultur- und Kongresszentrum Taufkirchen vorstellen wird. Obwohl bereits 1984 erschienen, ist das Buch hochaktuell. Anthoff gibt dem Patienten Maarten Klein nicht nur seine facettenreiche Stimme. Auch mit seiner Gestik drückt er die Verzweiflung der Figur aus, etwa, wenn der alte Mann zunehmend zerstreuter wird und laut vor sich hinzureden beginnt. In "Hirngespinste" wird das Altern eines 71-jährigen Mannes geschildert, der diesen schleichenden Prozess für sich als zunächst schmerzhafte Erfahrung von geistigem und körperlichem Verfall erlebt, aber auch ein verändertes Welt- und Wirklichkeitsverhältnis erlangt, wo jeder Tag zum Abenteuer wird. Musikalisch begleitet und dramatisiert wird die Lesung von Martin Kälberer am Klavier, nicht zuletzt als langjähriger Bühnenpartner von Werner Schmidbauer bekannt.

Anthoffs und Kälberers Auftritt um 19 Uhr ist der Höhepunkt eines Themenabends "Demenz", zu dem der AK Soziale Dienste und die Gemeinde Taufkirchen laden. Der Eintritt zur Lesung ist frei. "Gerd Anthoff liegt das Thema sehr am Herzen. Deswegen ist er uns bei der Gage sehr entgegengekommen", sagt Michael Blume, Leiter des Kulturzentrums, in dem von 17.30 Uhr an auch Organisationen, Vereine und Verbände ausstellen, die sich mit dem Thema Alzheimer und Demenz beschäftigen: unter anderem die Nachbarschaftshilfe Taufkirchen, der Sozialpsychiatrische Dienst München-Land Süd, die Fachstelle für pflegende Angehörige Landkreis München, oder die Alzheimer Gesellschaft Landkreis München. Es gibt die Möglichkeit, sich in ungezwungener Atmosphäre beraten zu lassen und Informationen über diverse Hilfsangebote einzuholen. Nach der Inszenierung von "Hirngespinste" spielt noch der Senioren-Kammermusikkreis der Musikschule Taufkirchen auf. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei.

© SZ vom 26.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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