Taufkirchen:Elegische Hymnen

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Dirigent Stijn Kolacny begeistert mit seinen jungen Sängerinnen und unterstützt von seinem Bruder Steven am Klavier, Publikum in ganz Europa wie in Nordamerika. (Foto: Berten Steenwegen/oh)

Der für seine bewegenden Pop- und Rock-Arrangements bekannte Mädchenchor "Scala & Kolacny Brothers" tritt in Taufkirchen auf. Im Vorprogramm singen lokale Ensembles

Von Udo Watter, Taufkirchen

Dass die USA zu den internationalen Hochburgen der guten Kinderstube gehören, mag man angesichts der jüngsten politischen Ereignisse vielleicht bezweifeln. Aber immerhin gibt es dort die Sitte, Talkshow-Gäste, die im Fernsehen Schimpfwörter gebrauchen, mit einem hohen Piep zu übertönen, was sicher zu den großen Errungenschaften menschlicher Achtsamkeit gehört. Das multipel einsetzbare Wort "Fuck" hört man ja ohnehin viel zu oft, auch hierzulande.

Freilich, welch ein Verlust für die Ohren, hätte sich der belgische Mädchenchor der Scala & Kolacny Brothers bei seiner Adaption des Radiohead-Songs "Creep" und der Textzeile "You're so fuckin' special" einer entsprechenden Selbstzensur unterworfen. Es gibt dazu Kommentare auf Youtube, in denen behauptet wird, nie habe das Wort "fuck" so schön geklungen, und man kann dieses Urteil nachvollziehen. Unabhängig von der Fähigkeit, unfeines Vokabular besonders zart-verführerisch zu timbrieren, hat sich das 1996 von den Bürdern Stijn und Steven Kolacny gegründete Vokalensemble, das am Dienstag, 15. November, im Kulturzentrum Taufkirchen gastiert, überhaupt mit herzerweichenden Adaptionen aus der Rock- und Popgeschichte international einen Namen gemacht.

Neben "Creep", das etwa den Trailer zum Hollywood-Film "The Social Network" eindrucksvoll untermalt und in weiteren US-Fernsehserien auftaucht, haben etwa die Cover-Versionen von "Every Breath you take" (Police) oder "With or without you" (U2) Trailer zu Serienstaffeln für die britischen Historienserie "Downtown Abbey" musikalisch begleitet. Es sind Versionen, die unter die Haut gehen, die Kolacny-Brüder sind generell dafür bekannt, Rock- und Pop-Klassiker und Indie-Songs so zu bearbeiten, dass sie zu elegischen Hymnen mit bewegenden Effekten werden. Das ist nicht immer voller Raffinesse, klingt mitunter auch arg süß und fast schon klischeehaft engelgleich, ist aber generell doch sehr anrührend.

Michael Blume, Leiter des Kultur- und Kongresszentrums, gehört zu den Fans des Chors: "Die machen schon richtig geile Sachen." Die musikalische Flankierung ist meist simpel: Lediglich ein Klavier dient als Begleitung der Stimmen. Ab und zu unterstützen auch Schlagzeug oder Synthesizer die Aufführung. Seit 2011 sind die Kolacny-Brüder mit ihrem Chor international unterwegs. "Rock- und Indie-Musik liegen uns am besten, weil der Herzschlag dieser Songs oft getragen und sehr emotional ist. Die Frauenstimmen fügen einen melancholischen Pinselstrich hinzu", sagt Stijn Kolacny. "Manchmal geben sie den Liedern eine völlig neue Dimension. Unsere Fassung von 'Nothing Else Matters' könnte klassische Musik sein. Der Ton hat gar nicht mehr den Charakter von Metallica." Die Sängerinnen im Alter zwischen 16 und 26 Jahren haben aber auch Lieder auf Deutsch im Repertoire, zu ihren bekanntesten gehört ihre Version des MIA-Songs "Hungriges Herz". Auch optisch wird in Taufkirchen, wo der Chor mit einem Aufgebot zwischen 20 und 30 Sängerinnen auftreten wird, einiges geboten: Es gibt Videoprojektionen, Animationsfilme oder Lichtshows.

Was den Abend auch aus lokaler Sicht so besonders macht, ist das rund einstündige Vorprogramm: Vier Schulchöre aus dem Hachinger Tal und dem Isartal wollen vor großem Auditorium ihr Können zeigen - der Chor der Mittelschule Taufkirchen, die Young Voices der Musikschule Taufkirchen, der Chor des Lise-Meitner-Gymnasiums, der aus Neunt- bis Zwölfklässlern besteht, sowie die "Independent Women" der Musikschule Grünwald. Dieses Vokalensemble unter der Leitung von Elisabeth Daiker hat erst Anfang Oktober beim Finale des ersten Musikschulpreises im Landkreis München an gleicher Stelle einen ersten Preis gewonnen - mit einem bewegenden Musical-Medley aus Spring Awakening. "Das war damals insgesamt ein hohes Niveau", sagt Blume. Er hatte die Idee, Chöre aus Taufkirchen und Nachbarschaft ins Vorprogramm zu nehmen, ihnen eine ungewohnte Plattform zu bieten, nicht zuletzt auch mit der Intention, junge Besucher aufs Kulturzentrum und sein Angebot aufmerksam zu machen. Für Freunde der jungen Chorsänger gibt es auch verbilligte Tickets. "Das Besucheralter wird auf einem anderen Level sein als sonst", sagt Blume. Und auch wenn man davon ausgehen darf, dass die junge Menschen wohl generell eine gute Kinderstube genossen haben - das Wort "Fuck" dürfte ihnen nicht ganz unvertraut sein.

Beginn der Veranstaltung am 15. November ist um 19 Uhr. Karten gibt es über München Ticket, an den Vorverkaufsstellen in Taufkirchen und im Kultur zentrum, Köglweg 5, (Telefon: 089/666 722 151 oder- 153) sowie an der Abendkasse von 18 Uhr an.

© SZ vom 10.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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