Taufkirchen:Der Ritter, der keiner war

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Der Taufkirchner Heimatforscher Dietrich Grund hat ein Buch über den Adeligen Hilprand geschrieben. Darin behauptet er Unerhörtes

Von Iris Hilberth, Taufkirchen

Wenn die Mädchen und Buben in den Taufkirchner Schulen etwas über die Geschichte ihrer Gemeinde lernen, dann ist auch immer von einem Mann die Rede, der in seiner Rüstung schon schwer was hermacht. Ein echter Ritter eben, der Ritter Hilprand, gestorben 1381. Seine Grabplatte mit seinem Abbild, das ihn komplett eingerüstet nebst Taufkirchner Wappen mit Löwen und Schwert zeigt, ist bis heute in der Vorhalle der Kirche St. Johannes zu sehen. Jeder kennt zudem das Kulturzentrum, den Ritter-Hilprand-Hof, auch eine Straße ist nach dem einstigen Taufkirchner Adeligen benannt. Nun hat aber der Heimatforscher Dietrich Grund bei den Recherchen zu seinem neuen Buch "Hilprant und die Familie der Taufkircher" herausgefunden: Egal ob man ihn nun mit "d" oder "t" am Ende geschrieben hat, sehr wahrscheinlich war dieser Hilprand gar kein Ritter.

Seit 1980 beschäftigt sich der heute 73-jährige Diplom-Ingenieur Grund mit der Geschichte seines Wohnorts und dessen Umgebung. Über den Hachinger Bach hat er bereits ein Buch veröffentlicht, über die Revolution von 1918/19 und die NS-Zeit im Hachinger Tal hat er geforscht und auf seiner Web-Seite Beiträge veröffentlicht. Jetzt folgt sein 95 Seiten starkes Buch über Hilprand Taufkircher, "die einzige Identifikationsfigur aus dem Mittelalter für unsere Gemeinde", wie er sagt. Von Hermann Rumschöttel, dem ehemaligen Generaldirektor der Staatlichen Archive Bayerns, hat Grund in einem Grußwort großes Lob für seine Arbeit bekommen: "Seine Beträge bereichern nicht nur die Erinnerungs- und Geschichtskultur im Landkreis München, sondern werden auch von der manchmal ein wenig im Elfenbeinturm sitzenden Fachwissenschaft ernst genommen."

Die Grabplatte, die Hilprand in Rüstung zeigt, ist laut Dietrich Grund kein Beweis für dessen Ritterschaft. (Foto: Claus Schunk)

Immerhin hatte die Familie des Hilprand Taufkircher etwa 250 Jahre lang das Sagen in der Ortschaft. Woher Hilprand zu Beginn des 14. Jahrhunderts kam, sei aber nicht zweifelsfrei bewiesen, sagt Grund. Drei Jahre hat sich der Hobbyforscher mit dieser Zeit im Hachinger Tal befasst und nimmt selbst "mit einiger Wahrscheinlichkeit" an, dass die Taufkircher aus der Gefolgschaft des Klosters Tegernsee kamen. Immerhin sei dieses damals der größte Grundbesitzer im Hachinger Tal gewesen. "Zur effektiven Verwaltung der Höfe und ihrer Abgaben gab es Probstämter des Klosters wahrscheinlich in Perlach, Unterbiberg und Taufkirchen", schreibt Grund. Hilprand sei als Siegler, eine Art Notar, für zahlreiche Verträge verschiedener Art im Hachinger Tal und seiner Umgebung in Erscheinung getreten. Sein Sohn Conrad habe seine Familie sogar so populär gemacht, dass man ihn in München zum Stadtrichter berufen habe.

Als Grundlage für seine Forschung diente Grund das 1972 veröffentlichte Hachinger Heimatbuch des ehemaligen Oberhachinger Pfarrers Karl Hobmair. Allerdings habe der sich ja hauptsächlich auf die Kirchengeschichte konzentriert, "da ging es nur am Rande um Hilprand in Taufkirchen", sagt Grund. Bei dem einzigen Dokument, das noch von der Familie Taufkircher erhalten geblieben sei, handele es sich um ein Wappenbuch, das er im Hauptstaatsarchiv habe einsehen dürfen. Alle anderen Dokumente aus der 250- bis 300-jährigen Familiengeschichte seien verloren gegangen. Auch einen lückenlosen Stammbaum habe er nicht gefunden.

Der Löwe aus dem Wappen der Taufkircher ziert heute das Taufkirchner Gemeindewappen. (Foto: privat)

Ihn zu erstellen hat Grund schon einige Mühe gekostet, denn in Bayern hatte es wohl drei verschiedene Familien mit dem Namen Taufkircher gegeben, eine Verwechslung ist da leicht möglich. Auch hat er allein für den Hilprand zehn verschiedenen Schreibweisen gefunden. Wie es sich unter der Herrschaft dieser Adelsfamilie im mittelalterlichen Taufkirchen gelebt hat, da will sich der Hobbyhistoriker nicht festlegen. Es habe wohl mal einen Pfarrer gegeben, der habe von der Kanzel hinunter recht über die Taufkircher gewettert. Sie würden in Saus und Braus leben und nur an ihr eigenes Wohl denken. Ob das wohl stimmte? Grund zuckt mit den Schultern. "Vielleicht", sagt er vage. Der Pfarrer sei vor Gericht gekommen und habe seine Aussagen widerrufen müssen.

Im Jahre 1544 jedenfalls habe der bayerische Herzog eine Auge auf Taufkirchen und den kleinen Nachbarort Westerham geworfen und dem Nachfahren Hilprands, Georg Taufkircher, einen Tausch der Ländereien vorgeschlagen. Der Herzog bekam die Gebiete im Hachinger Tal mit den attraktiven Mühlen am Hachinger Bach, die Familie der Taufkircher siedelte um nach Höhenrain, wo sie immerhin ein größeres Areal erhielt. Im 17. Jahrhundert schließlich endet der Stammbaum, den Grund akribisch zusammengetragen hat. "Es gab wohl Streitigkeiten um das Erbe und hohe Schulden. Die Familie verarmte", vermutet Grund.

Historische Karte von Taufkirchen und Umgebung. (Foto: privat)

Geblieben ist Taufkirchen vor allem das auffällige Wappen des Hilprand Taufkircher, "ein halber Löwe, sich mit einem Schwert durch das Maul und Kopf stechend", wie es im Familienstammbuch heißt. Eine Deutung, die heutzutage nicht jeder in Taufkirchen gerne hört, weil diese "Selbstverstümmlungsszene" verstört, wie Grund vermutet. Zumindest gibt es seit einigen Jahren den Umdeutungsversuch, der Löwe würde zum Schlag ausholen und dabei das Schwert über die Schulter legen. Grund überzeugt das wenig. Er hält an dem fest, was auch Johann Siebmann in seiner Wappenkunde von 1604 schrieb: "Ein oberhalber goldener Löwe, der sich ein silbernes Schwert durch Rachen und Hinterkopf bohrt". Vermutlich könne sich heute keiner mehr die symbolhafte Bedeutung dieser Handlung erklären, meint Grund. In frühen Zeiten zumindest habe die Szene offensichtlich niemanden gestört.

Schwert, Löwe, Ritter. Passt alles wunderbar zusammen. Grund hegt dennoch ernsthaft Zweifel daran, dass es sich bei Hilprand Taufkircher tatsächlich um einen Ritter gehandelt hat. Allein die Darstellung auf der Grabplatte sei kein Beweis. "Dies entsprach der damaligen Mode, solche Denkmäler in nostalgischem Rückblick auf die Glanzzeit der Ritter, und sagt nichts über den Adelsrang aus", schreibt Grund. In den Quellen werde für Angehörige der Familie der Taufkircher die Anrede "Herr" oder "edler und fester Herr" verwendet.

In seiner Beurteilung stützt sich Grund auf eine Mitteilung des Hauptstaatsarchivs: "Unserer Erfahrung nach ist die Verwendung des Ausdrucks Ritter in altbayerischen Quellen bei der Betitelung von Personen eher unüblich." Auch an Ritterturnieren Ende des 15. Jahrhunderts hätten die Taufkircher nicht teilnehmen dürfen. In einem Bericht von einem Turnier in Würzburg hat Grund folgende Notiz gefunden: "Caspar Thorer, Jörg Tawfkircher, die hat man der weiber wegen geschlagen (ausgeschlagen, ausgeschlossen), das sie nicht edl sein."

"Hilprant und die Familie der Taufkircher" erscheint im Oktober bei Books on Demand.

© SZ vom 27.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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