SZ-Serie: Sound des Sommers:Platsch!

Lesezeit: 3 min

Freibadbesuchern in Unterhaching bietet sich oft ein besonderes Spektakel: Etwa 15 Jugendliche der Splashdiver zeigen, wie sie laut und spritzig vom Turm springen

Von Patrik Stäbler, Unterhaching

Die zwei Frauen, die gleich zusammenzucken werden, als hätten sie an einen Elektrozaun gelangt, schlendern noch nichts ahnend am Nichtschwimmerbecken im Unterhachinger Freibad entlang. Womöglich sind sie unterwegs zu den 50-Meter-Bahnen, vielleicht wollen sie auch zurück zu ihrem Liegeplatz. In jedem Fall aber plaudern sie angeregt miteinander - bis ein ohrenbetäubender Knall erschallt. Das Geräusch lässt das halbe Freibad innehalten; nicht nur die zwei Frauen, sondern zahllose weitere Besucher drehen abrupt den Kopf, was entfernt an eine Gruppe Ausschau haltender Erdmännchen erinnert. Vor Schreck bleiben etliche Münder offen, eine der zwei Frauen ruft halblaut "Oh, mein Gott!", ehe sie, halb ängstlich, halb neugierig, zum Springerbecken blickt, von woher der Knall gekommen ist.

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(Foto: Claus Schunk)

Zu den Splashdivern gehören auch Timo, Lukas, Jonas und Malte (von links nach rechts).

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(Foto: Claus Schunk)

Sie wissen...

...wie man eine Kartoffel...

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(Foto: Claus Schunk)

...oder einen Anker...

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(Foto: Claus Schunk)

...springt.

Dort taucht im nächsten Moment aus dem Wasser ein Neoprenanzug auf, darin steckt Timo Fechner, 25, aus Unterbiberg. Er hat seinen 103 Kilo schweren Körper soeben vom Zehnmeterturm hinuntergestürzt und ist mit einem "Brett" gelandet, wie das im Fachjargon heißt. Bedeutet: Er ist in Sitzhaltung und mit ausgestreckten Beinen auf der Wasseroberfläche aufgekommen - mithin der Ursprung des markerschütternden Geräuschs. Nun schwimmt Fechner gemächlich zum Beckenrand, stemmt seinen Körper aus dem Wasser und sieht sich sogleich den zwei Frauen gegenüber, die ihm jene Frage stellen, die er fast nach jedem Sprung hört: "Hat's weh getan?"

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Der 25-Jährige muss dann stets grinsen, ehe er den Kopf schüttelt und sagt: "Nein, gar nicht." Danach trottet Fechner zurück zum Sprungturm und zu seinen Kollegen, die sich "Splashdiver Unterhaching" nennen und längst zu einem Markenzeichen des Freibads geworden sind. Denn die etwa 15 Jugendlichen fallen auf - weil sie hier Stammgäste sind, weil die meisten von ihnen Neoprenanzüge tragen, und vor allem: weil ihre Sprünge atemberaubend sind. Fechner, der gerade am Ende seiner Erzieherausbildung steht, ist bei den Hachinger Splashdivern "der Mann fürs Grobe", wie er sich selbst bezeichnet. Bei keinem anderen klatscht es so laut, und bei keinem anderem spritzt es so weit - zwei Kategorien, die für den Funsport Splashdiving von großer Relevanz sind.

Ungleich leiser und trockener, aber kaum minder spektakulär sind die Sprünge von Lukas Lenz. Der 20-jährige Unterhachinger war einst Kunstturner beim örtlichen TSV und auch "bei mehreren Meisterschaften dabei", wie er sagt. Und das sieht man: Wenn Lenz vom Zehnmeterturm hinunterwirbelt, kommt das ungeübte Auge kaum nach mit dem Zählen der Saltos und Schrauben. Auch nach seinen Sprüngen kriegen viele Freibadbesucher den Mund nicht mehr zu - jedoch nicht vor Schreck, sondern vor Staunen. "Klar geht es uns auch darum, den Leuten hier eine Show zu bieten", sagt der Feinwerkmechaniker, der demnächst das Abitur nachholen und studieren will.

Wenn er und seine Splashdiving-Kollegen ihre waghalsigen Sprünge vom Zehnmeterturm zeigen, dann stehen oft Dutzende Schaulustige ums Becken herum, "manchmal sogar in zwei Reihen", sagt Lukas Lenz. Einen Eindruck von ihrem Können kann man sich auch daheim am Computer machen: Auf dem Youtube-Kanal "Splashdiving Unterhaching" veröffentlichen die Jugendlichen kurze Filme von ihren Sprüngen; dazu posten mehrere von ihnen Videos bei Instagram.

Dort hat Lukas Lenz vor wenigen Wochen auch einen filmischen Beweis seines jüngsten Coups geteilt: ein vierfacher Rückwärtssalto vom Zehner - "das schaffen nicht viele in Bayern", sagt er. Bevor ihm dieses Kunststück erstmals gelungen ist, standen jedoch Tage und Wochen des Trainings - meist bei schlechtem Wetter, denn dann ist das Freibad zwar geöffnet, aber weitgehend leer, sodass die Splashdiver ungestört üben können. Mitunter gehe ein Sprung auch mal schief, sagt Lenz und blickt hinab zu seinen Schienbeinen, die übersät sind mit grün-blauen Flecken. "Da hab ich mich nicht schnell genug gedreht", erklärt er und zuckt mit den Schultern. "Aber wirklich verletzt habe ich mich bislang noch nie."

Dabei springt Lukas Lenz ohne Neoprenanzug - anders als die meisten seiner Kollegen. Auch Timo Fechner schwört auf die zweite Haut, "um den Schmerz zu minimieren, wenn man mal falsch aufkommt". Zudem helfe der Neoprenanzug für den richtigen Sound bei der Landung. Hier gilt die Devise: je lauter, desto besser, wofür dem Splashdiver eine Reihe unterschiedlicher Figuren zur Verfügung stehen - von der klassischen Arschbombe über den Anker (ein Bein angezogen) bis hin zur Kartoffel (kopfüber). Und natürlich das Brett, das in Sachen Geräuschpegel unschlagbar sei, sagt Timo Fechner. "Das knallt einfach am lautesten."

© SZ vom 31.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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