SZ-Serie: "Ferien daheim":Kulisse von 1923

Lesezeit: 2 min

Allein der Herd ist sehenswert, an dem Leonore Kandler noch immer leckere Speisen zubereitet. Ihr Großvater hat die Wirtschaft 1905 übernommen. (Foto: Angelika Bardehle)

Im Kandler-Wirt in Oberbiberg stehen noch die Bänke und Tische von damals, weshalb er beliebt bei Filmteams ist. Die Ausflügler zieht es aber vor allem wegen des Schweinebratens hierher

Von Lea Frehse, Oberhaching

Der Kandler-Wirt in Oberbiberg ist ein Ausflugsziel der besten Art: eines, das für Ausflügler wie gemacht ist - und das mit besonders viel Herzblut. Das weiß getünchte Gasthaus Kandler nebender Marien-Kirche und dem Maibaum an der Oberbiberger Hauptstraße sticht auf den ersten Blick nicht ins Auge.

Doch über die Mittagsstunden an Sonn- und Feiertagen ist die Wirtschaft die eigentliche, die wahre Mitte des Dorfes. Bessergesagt ihr Ofen. Dort schmort dann seit den frühen Morgenstunden der Schweinebraten. Und der braucht keine Sterne oder Urkunden. Seit mehr als einem Jahrhundert sind fast immer alle Holzbänke sofort belegt, wenn das Gasthaus seine Türen öffnet.

Bayerische Idylle wie aus dem Bilderbuch findet man in Oberbiberg. Das Essen beim Kandler ist traditionell und gut. (Foto: Angelika Bardehle)

Feiern am Feiertag

Familie Kandler betreibt das Gasthaus neben ihrer Landwirtschaft, weshalb es an Werktagen geschlossen bleibt. Wer aber einen Feiertag wirklich feiern will, der schwingt sich aufs Radl und lässt sich bei freier Fahrt durch Forst und Wiesen die Sonne ins Gesicht scheinen. Von München aus führt der Weg nach Oberbiberg auf autofreien Radwegen entlang der Isar bis zur Mühlenbrücke bei Straßlach-Dingharting. Anschließend geht es durch den Grünwalder Forst.

Bei gemütlichem Tempo ist das Ganze in zwei Stunden zu schaffen. Aus östlicher Richtung bietet sich die ebenso grüne Strecke durch den Deisenhofer Forst an. In Oberbiberg dann einfach das schlanke Türmchen der katholischen Kirche Mariä Geburt ansteuern: Kandlers Wirtshaus liegt gleich gegenüber. Wenn das Gotteshaus geöffnet ist, lohnt sich vor dem Festmahl auch ein kurzer Abstecher ins Innere: Im hellen Kirchenschiff erzählen fein geschnitzte Heiligenfiguren wie die Strahlenkranzmadonna aus dem Jahr 1428 stumm von einer bewegten Geschichte gottesfürchtiger Bauern, die das Münchner Umland geprägt haben.

Seit 2011 erstrahlt die Kirche wieder

Schon 778 nach Christus soll an dieser Stelle eine erste Kapelle geweiht worden sein, die Grundmauern der heutigen Kirche stammen aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, die barocken Altare aus dem frühen 19. Jahrhundert. Seit der 2011 abgeschlossenen Renovierung strahlen Figuren und Gewölbe wieder in glänzendem Weiß.

Das wahre Ziel der Tour, das Gasthaus, verspricht den hungrigen und durstigen Ausflüglern noch mehr Glück. Wer das Gasthaus betritt, der findet sich in gelebter Tradition wieder. Das Gasthaus selbst ist über 250 Jahre alt, die Bänke und Tische aus Ahorn- und der Boden aus Eichenholz sind unverändert seit 1923. Damals stand noch der Großvater der heutigen Wirte, den Geschwistern Katharina und Michael Kandler hinterm Tresen. Der war 1905 aus Eichstätt ins Dorf gezogen und hatte die Wirtschaft übernommen. Während Kandler senior Bewegtbilder noch höchstens abgehackt und in schwarz-weiß kannte, wurde sein Lokal später eine bescheidene Berühmtheit: Beim Kandler drehten Filmteams schon das "Forsthaus Falkenau" und Meister Eder und seinen "Pumuckl". Zuletzt stand die Gaststube Kulisse für Marcus Rosenmüllers Film "Wer früher stirbt ist länger tot".

Wer Braten und dazu eine Schorle oder das Maxlrainer Bier bei einem Spaziergang durch die Wiesen - oder einem Nickerchen darauf - verdaut hat, kann beim Kandler noch eine lustige Kugel schieben: Neben dem Wirtshaus haben die Wirtsleute ihre historische Holzkegelbahn restauriert, inklusive kunstvoll gedrechselter Kegel und geschliffener Dielen-Bahn. Wenn die nette Kegelrunde aus dem Dorf nicht gerade selbst nach Neunern wirft, ist die Bahn für zehn Euro pro Stunde zu mieten. Zwischen den Kegeln verbirgt sich übrigens ein Geheimnis - aber fragen Sie dazu besser den Wirt.

© SZ vom 15.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: