SZ-Serie: "Die Weihnachtsmacher":Kleckse fürs Christkind

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Irene März (links) hat beim Schleißheimer Advent mit den Kindern wieder jede Menge handgeschriebener Wunschzettel angefertigt. (Foto: Catherina Hess)

Irene März lehrt Kinder, mit Tusche und Feder zu schreiben

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

Wahrscheinlich gibt es schon die vielfältigsten Formatvorlagen für den Wunschzettel ans Christkind im PC und Siri oder Alexa kann man den Brief ans Christkind ganz sicher diktieren. Vom Adventsmarkt des Tourismusvereins in Oberschleißheim kommt jedes Jahr allerdings viel ungewöhnliche Weihnachtspost. In einer Schreibstube können die Weihnachtswünsche handgeschrieben werden, mit Tusche auf feinem Papier.

Für Irene März sind Tusche und Feder lebenslange Begleiter, und in der Schreibstube gibt sie ihre große Leidenschaft nun weiter. Weit mehr als hundert Federn hat sie gesammelt, die dort zur Verfügung stehen. "Die kleinen Digital Natives schreiben SMS, posten, skypen und wischen sich durch die Welt", sagt Irene März. "In der mobilen Schreibstube geht alles etwas langsamer zu."

Ein Bauwagen, der mal als Jugendtreff gedient hatte, wurde von der Projektgruppe Kinder und Jugend der Lokalen Agenda beschaulich eingerichtet. Sie versuche vor allem, den Kindern den Spaß am Schreiben zu vermitteln, sagt März. Experimentiert wird dabei mit allem, was man in Tinte stecken kann. Ein besonderer Clou sind ihre selbst ersonnenen "Biergartenfedern", verbogene Kronkorken von Bierflaschen, an einem Stiel befestigt. "Das gibt einen brutalen Strich", sagt Irene März lachend, "es ist jedes Mal eine Überraschung, was dabei rauskommt."

Die 58-jährige hat schon als Schulkind ihre Hausaufgaben "manchmal mit Tusche und Feder geschrieben", erzählt sie. Als "Legalisierung für dieses Zeichnen" hat sie dann Kartografie studiert. Mittlerweile hat sie sich zusammen mit ihrem Mann in einem Gestaltungsbüro selbständig gemacht. Beruflich hat sie die Entwicklung in ihrer Branche hin zu zigtausend Schriften per Mausklick uneingeschränkt begrüßt: "Ich genieße es sehr, dass die Finger nicht mehr so dreckig werden bei der Gestaltung neuer Schriftarten - aber nach eine Stunde Schreibstube sind sie trotzdem herrlich bunt." Die Fertigkeit zu schreiben wird nach März' Einschätzung heutzutage zu wenig vermittelt. "Die Schrift, die heute in der Schule gelehrt wird, ist grauslig", sagt sie. Darunter leide auch die Feinmotorik der Kinder. In der Schreibstube beim Schleißheimer Advent allerdings ist noch nicht das Ende der Tintenkleckse angebrochen.

In dieser Serie stellt die SZ jeden Tag Menschen vor, die der Vorweihnachtszeit zu ihrem besonderen Zauber verhelfen.

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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