SZ-Serie: Das Fest der Dinge, Folge 18:Herzerwärmende Mundartverse

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Peter Gauweiler hat Thomas "Heilige Nacht" schon so oft vorgetragen, dass er wohl die meisten Vierzeiler auswendig kann. (Foto: Christian Endt)

Peter Gauweiler liest Ludwig Thomas bairische Weihnachtsgeschichte "Heilige Nacht" in Keferloh

Von Michael Morosow, Grasbrunn

Die "Heilige Nacht" von Ludwig Thoma, ein fester Bestandteil der bayerischen Adventsfolklore, zählt zweifelsohne zum Anrührendsten, was je in bairischer Mundart geschrieben wurde. In dem überaus heimeligen Versepos aus dem Jahr 1917 verlegt der Schriftsteller die Geschichte aus dem Lukas-Evangelium kurzerhand ins bayerische Oberland, lässt Maria und Joseph auf ihrem Weg von Nazareth nach Bethlehem durch den Schnee stapfen und macht damit das Jesuskind mehr oder weniger zu einem bayerischen Stammhalter. Wenn sich die durchaus dramatische Geschichte ihrem guten Ende nähert und Jesu Geburt bevorsteht, wenn es also heißt: "So leucht'n d' Stern auf - oiwei mehr / Auf oamal braust's von ob'n her / vo hundert Orgeln klingt's / Als wia vo tausad Harfa singt's / Und Engelstimma wundafei' / De klingan drei'. / Halleluja! Halleluja!", dann haben nicht wenige Zuhörer Tränen in den Augen, erstaunlicher Weise selbst jene, die des Bairischen nicht mächtig sind, schon gar nicht den Lenggrieser Dialekt beherrschen, aber von der besonderen Stimmung ergriffen werden. Voraussetzung dafür ist unbedingt die Kunst des Vortragenden, der nicht nur die Mundart beherrschen sollte, sondern auch die erforderliche Intonation.

Für diesen Freitag, 20. Dezember, lädt der Förderverein der Kirche St. Aegidius in Keferloh zu seiner traditionellen Adventsstunde ein, deren Höhepunkt die Lesung der "Heiligen Nacht" sein wird. Dafür hat der Förderverein einen Sprecher gefunden, dem die Pflege und der Erhalt des bairischen Sprachgutes ohnehin eine Herzensangelegenheit ist und der sich schon seit seiner Jugend mit Ludwig Thoma beschäftigt und die "Heilige Nacht" schon so oft vorgetragen hat, dass er wohl die meisten der vielen Vierzeiler in den sechs Hauptstücken der Weihnachtslegende auswendig aufsagen könnte: Peter Gauweiler, Rechtsanwalt und langjähriger CSU-Politiker. Der 70-Jährige hat Thomas Versepos auch schon im Berliner Kronprinz-Palais vorgetragen.

Zu den Zuhörern, so berichtet er, gehörten auch der ehemalige SED-Funktionär Günter Schabowski und seine russische Frau. "Ich glaube nicht, dass sie mich verstanden hat", sagt Peter Gauweiler heute. Wie man die "Heilige Nacht" vorträgt, dass es den Zuhörern warm ums Herz wird und ihnen ein Schauer über den Rücken läuft, hat der Münchner von den Großen der bayerischen Theaterszene gelernt, von Fritz Straßer etwa oder von Gustl Bayrhammer, wobei er Letzteren als Zuhörer schon einmal in den "Tuften" erleben durfte, jenem Jagdhaus am Tegernsee, das sich Thoma von den Einnahmen für seine Komödie "Die Moral" bauen ließ. Er habe "die schöne Sprachmelodie der Heiligen Nacht in die Ohren bekommen", erinnert sich Gauweiler, in desen Augen Thomas Werk keine Folklore, sondern eine ergreifende Dichtung in der Sprachform des Naturalismus ist und auch als ein Stück Zeitgeschichte zu gelten hat.

Dass Ludwig Thoma nicht nur großartige Romane und Erzählungen verfasst hat, sondern eben auch Urheber judenfeindlicher Hetzartikel im Miesbacher Anzeiger war, das weiß Peter Gauweiler natürlich. Auch dass die "rechten Aufwallungen" des Schriftstellers in seinen letzten Lebensjahren fundamental dem Duktus seiner "Heiligen Nacht" widersprechen. Der Schriftsteller Franz Xaver Kroetz habe in diesem Zusammenhang einmal gesagt: "Das ist alles scheißegal, die Vergangenheit steht auf einem anderen Blatt."

Die Lesung in der Kirche Aegidius in Keferloh beginnt um 18 Uhr. Musikalisch gestaltet wird sie durch den Grasbrunner Dreigesang mit Zither- und Harfenbegleitung sowie mit besinnlichen Musikstücken zur Heiligen Nacht. Der Eintritt ist frei, Spenden werden für die Erhaltung der Kirche verwendet.

© SZ vom 20.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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