SZ-Serie: Das Fest der Dinge, Folge 15:Eine Botschaft für die Welt

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Marie Hendl mit dem Friedenslicht aus Bethlehem am Sonntag in Oberschleißheim. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Pfadfinderin Marie Hendl bringt die Flamme aus Bethlehem jedes Jahr nach Oberschleißheim, damit jeder seine Kerze an ihr entzünden kann

Von Sophie Kobel, Oberschleißheim

Darf man eine brennende Kerze in der S-Bahn transportieren? Diese Frage stellt sich Marie Hiendl jeden Dezember wieder, wenn sie mit ihrer Laterne an der Haltestelle Marienplatz auf die nächste Bahn wartet. Denn die 26-Jährige ist seit ihrem elften Lebensjahr Mitglied beim Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder - jenem Verband, der alle Jahre wieder am dritten Adventssonntag das sogenannte Friedenslicht von Bethlehem aus in die ganze Welt verteilt.

"Zwar bin ich Pfadfinderin, aber eigentlich bin ich immer privat mit Freunden oder meiner Mama zum Dom gefahren, um das Licht nach Oberschleißheim zu uns nach Hause zu holen", erzählt Hiendl. Zwei Kerzen habe sie immer mindestens dabei. Denn so manches Mal sei auch eines der Lichter auf dem Heimweg erloschen. "Bisher haben wir es aber immer geschafft, dass mindestens eine brennende Kerze heil bei uns Zuhause angekommen ist", sagt die Sozialpädagogin. Die Regelung der Deutschen Bahn zum Transport des Lichtes hat sie nachgelesen: "Anscheinend muss der Behälter mit Sand gefüllt sein und es dürfen nicht mehr als zwei brennende Laternen in einem Waggon sein", sagt die Oberschleißheimerin. Ob das auch auf den MVV zutreffe, wisse sie aber nicht.

In Oberschleißheim kann dann jeder aus der Gemeinde vorbeikommen und seine eigene Kerze anzünden. "Allerdings habe mir immer gewünscht, das Friedenslicht würde innerhalb von Oberschleißheim mehr Aufmerksamkeit bekommen", so die 26-Jährige, seit 2018 Pfarrgemeinderätin in St. Wilhelm, "schließlich ist das eine weltweite Bewegung."

Seit 1986 wird das Friedenslicht, ursprünglich als Spenden-Initiative des Österreichischen Rundfunks (ORF), jedes Jahr in der Grotte von Bethlehem von einem einheimischen Kind entzündet. Von dort aus fliegt es in einer explosionssicheren Lampe nach Wien, wo es von den österreichischen Pfadfindern entgegengenommen und mithilfe von Zügen nach ganz Europa verteilt wird. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Aktion immer bekannter, sodass das Friedenslicht mittlerweile sogar in Teilen Kanadas, den USA und südamerikanischen Ländern zum Brauch geworden ist. Bei Marie Hiendl steht das Licht auf der Fensterbank ihrer Münchner Wohnung. Für ihre Heimatgemeinde Oberschleißheim holt es trotzdem jedes Jahr wieder in der Münchner Frauenkirche ab.

Um das internationale Friedenssymbol nicht nur an Freunde und Nachbarn weiterzugeben, wendet sich die junge Frau an den Pfarrverband Oberschleißheim. Dort wird seit 2014 jeden dritten Adventssonntag ein eigener Gottesdienst zum Gedenken an das Friedenslicht abgehalten: "Was ich früher mit meinen Eltern gemacht habe, ist heute etwas Offizielles", sagt Hiendl. Eines war ihr dabei wichtig: "Das Friedenslicht gehört nicht einer Glaubensrichtung an. Darum trage ich es jedes Jahr auch zur evangelischen Pfarrei von Oberschleißheim." Dieses Jahr wird das Licht zum ersten Mal auch in Ämtern der Gemeinde stehen, auch das initiierte die Pfadfinderin.

Brennen soll das Friedenslicht mindestens bis Weihnachten. Danach lässt Marie Hiendl ihre eigene Kerze ausbrennen, bis sie im Jahr darauf wieder eine neue in München entzündet.

© SZ vom 17.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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