SZ-Serie: Das erste Jahr:Willkommen im Debattierklub

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Seit der Kommunalwahl haben sich im Unterhachinger Gemeinderat nicht nur die Mehrheiten verschoben, sondern auch die Gepflogenheiten. Bürgermeister Wolfgang Panzer ist das "zu ideologisch". Die Grünen wollen ihren Kurs fortsetzen, obwohl sie zwei ihrer Kollegen vergrätzt haben

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Die Gemeinderatssitzung wenige Tage vor den Pfingstferien war fast schon rum, da hob Korbinian Rausch, der CSU-Fraktionssprecher, noch einmal zu einer großen Rede an. Es ging um die Mondlandung, um John F. Kennedy und schließlich auch um Unterhaching. Irgendwann war klar, Rausch will über Klimaschutz reden und die Gemeinde zum Vorreiter für "Netto Null" machen. Da hatte Gertraud Schubert von den Freien Wählern schon ihre Hände vor das Gesicht geschlagen und ihre Kollegin Christa Helming genervt mit den Augen gerollt. Selbst die Grünen, die seit gut einem Jahr die neuen Freunde der CSU sind, waren empört. Nicht wegen des Apollo Programms und auch nicht wegen Rauschs geforderten Zeithorizontes für das Ende der Emissionen. Aber Klimaschutz ist ihr Thema. Da lässt man sich nicht die Butter vom Brot nehmen. Und der Bürgermeister? Wolfgang Panzer (SPD) saß vor dem Gremium, war wohl froh, dass man unter der FFP2-Maske nicht jede Mimik erkennen kann, und versuchte, möglichst unbeeindruckt zu schauen.

Seit der Pandemie tagt der Gemeinderat im Kultur- und Bildungszentrum Kubiz, dort, wo sonst Theater- und Musikveranstaltungen stattfinden. Nur ist die Rollenverteilung im Moment etwas anders, der auf der Bühne platzierte Bürgermeister und seine Verwaltungsleute müssen sich mitunter wundern, was da unten im Saal aufgeführt wird. Panzer war nach der Wahl klar, dass es nicht einfach wird für ihn. Die Zusammensetzung des Gemeinderats hatte sich stark verändert, seine bisherigen Ansprechpartner in den Fraktionen sind teilweise nicht mehr dabei. Jetzt sitzen da als große Wahlgewinner auf der eine Seite die Grünen, mit neun Mandatsträgern waren sie zunächst stärkste Fraktion. Auf dem anderen Flügel die Schwarzen mit nur einem Sitz weniger. Und dazwischen gequetscht seine SPD, die mit weniger Personal als zuvor zurecht kommen muss, die zwei FDP-Leute und vier von den Freien Wählern. Dass CSU und Grüne alleine entscheiden können und durchaus bereit sind, eine solche Koalition einzugehen, bewiesen sie gleich in der ersten Sitzung bei der Wahl der Bürgermeister-Stellvertreter - nach dem Motto: Wir wählen eure Kandidatin und ihr wählt unseren Kandidaten. Und den anderen sagen wir nichts davon. So kam das bei manchem erfahrenen Gemeinderat an, der sich bestenfalls über den neuen Stil wunderte, schlimmstenfalls ärgerte. Ein guter Start war das nicht.

"Der Anfang war sehr holprig", findet auch Julia Mittermeier, die Fraktionssprecherin der Freien Wähler. Viele seien noch lange im Wahlkampfmodus gewesen und hätten sich und ihrer Fraktion offenbar etwas beweisen müssen. "Der Wahlkampf hat Spuren hinterlassen, da muss man erst mal zusammenfinden", beschreibt Bürgermeister Panzer die Startschwierigkeiten. Er sagt auch, es sei diesmal anders als früher und schwieriger als erhofft. Nicht nur, weil er es mit einem Drittel neuer Gemeinderatsmitglieder zu tun hat. Und nicht nur, weil die Pandemie ein Kennenlernen jenseits des Sitzungssaals, bei Veranstaltungen oder beim "gemeinsamem Bier" schlicht unmöglich macht.

Neu war eben auch eine bärenstarke grüne Fraktion, die mit dem Selbstverständnis angetreten war, nun die Themen vorzugeben und "in die Mitte zu tragen", wie es die Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Köhler ausdrückt. Mit neuem Selbstbewusstsein wollen sie die Dinge verändern und Unterhaching grüner machen. Dies sei der Wählerwille, sagt Eva Karbaumer, die Fraktionsvorsitzende. Diese Anspruchshaltung führte von Anfang an dazu, dass eine Flut von Anfragen und Anträgen auf die Verwaltung einprasselte und die Grünen gleich viel Kritik einstecken mussten. Ändern wollen sie diese Art der Themensetzung und des Hinterfragens nicht. "Wir nehmen das alles total ernst und wollen nicht einfach nur reingehen und abstimmen", sagt Karbaumer. Genau das will CSU-Mann Rausch auch nicht. Auch wenn das manchmal so ankommt, als habe er Spaß daran, ein bisschen Bundestag zu spielen. "Wir sind schließlich kein 300-Seelen-Dorf. Wir haben einen Haushalt von über 100 Millionen Euro", sagt er.

Die Arithmetik des Unterhachinger Gemeinderats hat sich jedoch verändert, als nach zehn Monaten Claudia Töpfer und Emil Salzeder das ewige Diskutieren innerhalb der Grünen zu viel wurde und sie ihre eigene Neo-Fraktion gründeten. Damit war die CSU plötzlich stärkste Gruppe in dem Gremium. Doch scheint sie sich mit den Wortführern Rausch und Franz Felzmann sowie den Meldungen von Michael Durach weiterhin mit dem Auftritt von einigen wenigen zu begnügen. Die Grünen, die alle sehr rege agieren, treiben so die CSU wie einen Juniorpartner vor sich her.

Bürgermeister Wolfgang Panzer ist das alles "zu ideologisch" geworden. "Wir sind kein reines Diskutiergremium, sondern ein Entscheidungsgremium", sagt er. Man müsse der Verwaltung auch mal vertrauen und nicht immer ein Haar in der Suppe finden. Selbst FDP-Mann Peter Hupfauer, der bekanntlich keine Diskussionen scheut, ist das inzwischen zu viel Landes- und Bundespolitik. "Der Gemeinderat muss lokale Dinge regeln und verabschieden", sagt er, "der Bürgermeister ist der Spielleiter und der Gemeinderat das Kontrollgremium". Peter Wöstenbrink, der SPD-Fraktionschef, mahnt: "Es gibt eine neue Mentalität des Thematisierens. Aber wir müssen die Themen auch erledigen und wieder vom Tisch bringen." Vor allem, findet Julia Mittermeier, gehe es in der Gemeinde nicht immer nur um Klimaschutz.

Die Neos, die bei ihrer Abspaltung mit allen im Gemeinderat ausführliche Gespräche führten, haben schon etwas zur Befriedung beigetragen, da sind sich viele in dem Gremium einig. Jetzt will der Bürgermeister in einer Klausur zur Ortsentwicklung den Zusammenhalt weiter stärken.

© SZ vom 25.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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