Bürgerfrust in Unterschleißheim:Da setzt di nieder

Lesezeit: 2 min

Ludwig Deinzer möchte für den Valentinspark ein Sitzmöbel für Senioren anfertigen. Er sammelt Spenden und kauft Material. Die Stadt ist zunächst begeistert - doch dann geht der Auftrag an eine Fachfirma.

Von Klaus Bachhuber, Unterschleißheim

Ein neues kommunikatives Sitzmöbel für Senioren im Valentinspark, angeregt aus der Unterschleißheimer Bürgerschaft, mit der Bereitschaft, es auch noch in Eigeninitiative selbst zu bauen - ein Musterbeispiel bürgerschaftlichen Engagements zugunsten der Allgemeinheit.

Sogar Geld war dafür schon privat gesammelt worden. In Unterschleißheim ist die Initiative dennoch versandet. Das Projekt hängt seit mehr als einem Jahr in der bürokratischen Warteschleife, das gekaufte Material bleibt liegen und die Stadt finanziert die Umsetzung der Idee schlussendlich mit einem fünfstelligen Betrag aus Steuermitteln.

Beim Gesprächsforum "SZ im Dialog" ärgerte sich Initiator Ludwig Deinzer über den "bürokratischen Schildbürgerstreich". Seine Vorstellung war: Im Valentinspark sollte, für die Allgemeinheit zugänglich, aber nahe beim Seniorenheim am Park, ein neuer Tisch entstehen mit einer rundumlaufenden Reling, an der sich die Senioren von den Ruhebänken bequem hochziehen oder beim Hinsetzen abstützen können. Deinzer war Feuer und Flamme für die Idee, organisierte Pläne zum Selberbauen, tat einen Unterschleißheimer Schweißer auf, der die Arbeiten erledigen würde, und sammelte in Bekanntenkreis und Nachbarschaft auch gleich Materialkosten. Mit dem Rad fuhr er zum Baumarkt und besorgte die Stangen für die geplante Reling.

Dann landete das Projekt im Bürgerhaushalt

Auch im Rathaus zeigte Deinzer das Projekt an, schließlich sollte der "Seniorentisch" auf städtischem Grund aufgestellt werden. Obwohl die Finanzierung über die Privatinitiative schon geklärt war, landete das Vorhaben als Vorzeigeprojekt im ersten Bürgerhaushalt, den die Stadt aufstellte. Dass die Initiatoren nicht Geld von der Stadt forderten, sondern selbst Hand anlegen wollten, machte den Tisch zu einem Aushängeschild des neuen Instruments der Bürgerbeteiligung. Einhellig und überaus angetan winkte der Stadtrat den Tisch durch.

Bei der Bilanzierung des Bürgerhaushalts hieß es jedoch jüngst - ein Jahr später - im Stadtrat nur schmallippig, die Umsetzung verzögere sich. Denn mittlerweile ist der Tisch in die Mühlen der Bürokratie geraten. In einem 29-seitigen Gutachten ließ die Stadtverwaltung ermitteln, ob Deinzers Pläne allen Sicherheitsanforderungen entsprechen. Für den Initiator nicht nachvollziehbar. Tische in öffentlichen Anlagen bräuchten überhaupt keine Sicherheitsprüfung, habe er recherchiert.

Die Rathausverwaltung widerspricht. "Wenn es in öffentlicher Nutzung ist, muss es Sicherheitsanforderungen erfüllen", sagt Thomas Stockerl, der Sprecher der Stadtverwaltung.

Die Stadt ist kein privater Gartenbesitzer

Als Stadt könne man nicht wie ein privater Gartenbesitzer handeln, sondern müsse "auf Nummer sicher gehen". Den Nachweis, diesen Ansprüchen auch zu genügen, habe Deinzers Eigenkonstruktion nicht erbringen können, bedauert er. "So ein Bürgerengagement ist immer eine schöne Sache", lobt Stockerl, "aber diese hohen Anforderungen waren einfach nicht umsetzbar." So hat die Stadt mit Mitteln des Bürgerhaushalts 2016 den Tisch nun bei einer Fachfirma bestellt. Nächstes Jahr soll er aufgestellt werden.

Deinzer ist schon raus aus dem Projekt. Der Schweißer, der ihm das Möbelstück anfertigen wollte, hatte sich schon vorher verärgert zurückgezogen, nachdem das Rathaus seine Qualifikation in Frage gestellt hatte. Deinzer selbst mag ebenfalls nichts mehr mit der Geschichte zu tun haben. "Ich hätte vorher gedacht, der Stadtrat hätte was zu sagen", wundert er sich über die Entwicklung von der Genehmigung der Eigeninitiative hin zum Auftrag an eine Fachfirma. Allein das Material, schätzt er, dürfte nun "fünfmal so teuer" werden. Seine Rohre aus dem Baumarkt liegen unterdessen in der Garage.

© SZ vom 03.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: