Straßlach-Dingharting:Zur Kasse, bitte

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Wer zahlt, wenn in Straßlach die Straßen saniert werden müssen? (Foto: Angelika Bardehle)

Viele halten es für einen dreisten Griff in ihren Geldbeutel, wenn sie für Straßensanierungen bezahlen sollen. Das Landratsamt bleibt aber hart und statuiert ein Exempel: Straßlach muss den Anliegern Rechnungen schicken

Von Iris Hilberth und Lenka Jaloviecova, Straßlach-Dingharting

Die Beteiligung von Anliegern an den Kosten von Straßensanierungen erhitzt weiterhin die Gemüter. Während Gemeinderat und Bürgermeister in Unterhaching trotz lautstarker Proteste die Straßenausbaubeitragssatzung immer und immer wieder verteidigen, hat sie Straßlach-Dingharting vor drei Monaten kurzer Hand abgeschafft. Bürgermeister Hans Sienerth (parteifrei) stand nicht hinter der Entscheidung des Gemeinderats. Er hielt sie von Anfang an für rechtswidrig und wirft den Initiatoren heute noch "populistische Gründe" vor.

Die sehen das natürlich anders und sprechen von einem "politischen Zeichen". An diesem Mittwoch steht die Satzung erneut auf der Tagesordnung der Gemeinderatssitzung. Denn: Das Landratsamt München hat Straßlach-Dingharting aufgefordert, den Beschluss aus dem März aufzuheben.

In seinem Antrag hatte CSU-Gemeinderat Herbert Mack damals für die Abschaffung plädiert, da es zu den Aufgaben des Staates gehöre, für die Bürger die erforderliche Infrastruktur bereitzustellen. Dazu zählt seiner Ansicht nach auch die Sanierung der Straßen. "Wir können nicht die Bürger auch noch zur Kasse bitten, um Straßen zu finanzieren. Sie sind schon genug durch Steuerabgaben belastet", argumentierte er. Auch monierte Mack die Ungleichbehandlung der Gemeinden im Landkreis. Nach Angaben des Landratsamts haben nur elf von 29 Gemeinden eine solche Straßenausbaubeitragssatzung, mit der sie die Bürger zur Kasse bitten, wenn vor ihrer Haustür die Straße saniert werden muss. Wie hoch die Eigenbeteiligung der Bürger sein soll, darüber entscheiden die Kommunen selber. Handelt es sich um eine reine Anliegerstraße, müssen die Grundstücksbesitzer mancherorts - wie in Unterhaching - 80 Prozent der Kosten übernehmen.

Ob eine Gemeinde nun eine solche Satzung haben muss, soll oder kann, darüber wird derzeit noch gestritten. In dem kommunalen Abgabegesetz aus den Siebzigerjahren ist von "soll" die Rede, was derzeit allerdings in den meisten Fällen als ein "Muss" ausgelegt wird. Es sei denn die Gemeinde verfügt über eine "herausragende Finanzlage", was im Landkreis München allenfalls für Grünwald und Unterföhring zutreffen könnte. Alle anderen laufen Gefahr, dass das Landratsamt ihren Gemeindehaushalt ablehnt, weil die Straßenausbausatzung nicht angewendet wurde und die betroffene Gemeinde sich zugleich durch eine Kreditaufnahme belastet. Mack aber findet, die Satzung sei in Straßlach 2011 beschlossen worden , als es der Gemeinde "nicht gerade rosig ging". Jetzt aber stünden die Finanzen auf soliden Beinen. Immerhin könne sich die Gemeinde ein teures Bürgerhaus leisten.

Bürgermeister Sienerth bezeichnet die Diskussion als "wenig professionell". So einfach seien die Dinge nicht, sagt er, und verweist auf die Gemeinde Hohenbrunn, die ebenfalls versucht habe, die Satzung abzuschaffen und vor Gericht damit hinten runtergefallen sei. Er sieht die Satzung auch nicht so kritisch wie manches Gemeinderatsmitglied. "Eine Gemeinde muss Steuern, Gebühren und Beiträge erheben", sagt er, das gelte für Kanal- und Abwassergebühren genauso wie für Kindergartengebühren und Straßensanierung. Schließlich bekämen die betroffenen Bürger bei einer Straßensanierung vor der Tür eine echte Verbesserung, findet er. Um aber nicht in die missliche Lage wie Unterhaching zu kommen, wo die Andresenstraße lange nicht repariert wurde und nun für viel Geld saniert werden muss, habe sich Straßlach-Dingharting 2009 ein Straßenbauprogramm gegeben. Damit solle jedes Jahr für etwa 240 000 Euro saniert werden, um zu verhindern, dass irgendwann einmal auch der Untergrund kaputt ist.

Dass Straßlach-Dingharting dies locker aus der Gemeindekasse zahlen kann, sieht Sienerth nicht. Die viel zitierte "herausragende Finanzlage" sei jedenfalls nicht vorhanden. "Der Kredit für das Bürgerhaus ist nicht in Ansätzen abbezahlt", betont er. Auch das Landratsamt ist offenbar dieser Ansicht, denn es fordert die Gemeinde nicht nur auf, ihren Beschluss rückgängig zu machen, es weist in seinem Rechtsgutachten laut Sienerth sogar darauf hin, dass die Gemeinderatsmitglieder sich mit einer unberechtigten Aufhebung der Ausbaubeitragssatzung sogar wegen Untreue strafbar machen könnten.

"Ich kann mich aber in diesem Fall nicht wie ein Tiger vor den Gemeinderat stellen und ihn schützen", sagt der Bürgermeister, der selbst den Beschluss im März formell beanstandet hatte. Sollte der Gemeinderat bei seiner Entscheidung bleiben, wird die Sache wohl wie in Hohenbrunn vor Gericht landen. Sienerth glaubt aber an eine Rücknahme: "Die Zeiten, in denen man in Straßlach-Dingharting die Schreiben vom Landratsamt für eine verstaubte, hausinterne Rechtsmeinung hielt, sind vorbei."

© SZ vom 24.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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