Straßlach-Dingharting:Gefährdetes Schatzkästchen

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Die Holzhauser sind stolz auf St. Martin. Gerade haben sie das 700-Jähriges Bestehen der Kirche gefeiert. Doch der Bau, der viele schöne Details enthält, ist marode. Deshalb sammeln die Dorfbewohner nun Geld für die Sanierung

Von Lenka Jaloviecova, Straßlach-Dingharting

Ein Schritt durch die schwere hölzerne Tür hinterlässt den Eindruck, man sei bereits inmitten der kleinen St.-Martin-Kirche. Der Blick schweift sofort auf den nicht weit entfernten Altar, dann entdecken die Augen links und rechts einige hölzerne Bänke. Ein Detail fällt sofort auf, das man von anderen Kirchen nicht gewohnt ist. Auf dem Rücken jeder Bank befinden sich kleine Namensschilder - Maria Sareiter oder Lorenz Weber aus Holzhausen beteten hier einmal zu Gott.

In einer Holzkiste auf dem Speicher unter der Kuppel hat Mesnerin Hildegard Heitmeier die alten Namensschilder wiedergefunden, die bei der Renovierung um 1958 verloren gegangen waren. "Das hat mich schon sehr berührt", erzählt Heitmeier. Einige Nachkommen der auf den Schildern verzeichneten Gläubigen leben bis heute in dem knapp 150 Einwohner kleinen Straßlach-Dinghartinger Gemeindeteil Holzhausen. So konnte die Reihenfolge der Namensschilder sogar zum Teil rekonstruiert werden. "Wir haben bei den Familien einfach nachgefragt, wo die Urgroßmutter gesessen hatte und es so rekonstruiert, dass alle zufrieden waren", erzählt Kirchenpflegerin Eva Lehmann-Horn.

Seit mittlerweile 47 Jahren bewahrt Mesnerin Heitmeier die Schlüssel zur Kirche auf. In ihrem "zweiten Wohnzimmer"- wie sie es nennt - hat sie schon einige wertvolle Schätze aufstöbern können. Kein Wunder: Die Filialkirche St. Martin wird heuer 700 Jahre alt.

Darauf sind die Holzhauser stolz, am Sonntag haben sie mit einem Gottesdienst, einem Festzug und einer Kirchenführung gefeiert. Für Speisen sorgten die Einwohner selber. "Unser Dorf ist richtig gefordert. Wir sind ja eben nicht so viele", sagt Mitorganisator Peter Krügl, aber: "Es ist schön zu sehen, wie dadurch unsere Dorfgemeinschaft wächst. Sie ist genauso wichtig wie unser Kulturgut, das wir bewahren wollen."

Die Kirche zu erhalten, wird demnächst in der Tat die Hauptaufgabe der Holzhauser sein. Kirchenpflegerin Lehmann-Horn bringt die Situation ziemlich schnell auf den Punkt: "Außen hui, innen pfui." Bei der Außenrenovierung vor fünf Jahren wurde der Dachstuhl mitsamt Turm saniert. Beim Betreten des unter Denkmalschutz stehenden Objekts wird aber schnell deutlich, dass mehr hätte getan werden müssen.

Immerhin schmückt die Kirche St. Martin die Mitte von Holzhausen seit dem Jahr 1315, laut einer Erwähnung in der Konradinischen Matrikel. Heute sprechen Experten die Stuckmotive der Rokoko-Epoche zu, der barocke Hochaltar entstand um das Jahr 1650. Einige Figuren wie die Muttergottesstatue auf dem Seitenaltar sind aus der Zeit der Spätgotik. Die letzte Innensanierung liegt jedoch einige Jahrzehnte zurück.

Heitmeier und Lehmann-Horn zeigen die "greislichen Wände" um den Altar herum. Sie wurden immer mit roten Tüchern behängt, um bei Kirchenführungen, Hochzeiten oder den Gottesdiensten, die einmal wöchentlich von Pfarrer Ivan Dagelic gehalten werden, die bröckelnden Wände zu verstecken. "Letztens haben wir sie aber abgehängt, damit die Menschen sehen, dass etwas getan werden muss", erzählt die Mesnerin. Aus der Stadt kam sie an jenem Tag mit einem weiteren wertvollen Kunstobjekt. Gemeinsam mit der Kirchenpflegerin packt sie eine Monstranz aus einer dicken Plastikfolie aus. Sie wurde gerade restauriert, ihre Steinchen schimmern im Licht. Die Monstranz stammt aus der Rokoko-Epoche und besteht aus Silber. Bei genauem Hinsehen ist zu erkennen, was es früher für ein Aufwand gewesen sein muss, ein solches Kunstobjekt herzustellen. Dann zeigt Heitmeier, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite wohnt, einen wertvollen Gegenstand, den sie bei einer ihrer Erkundungen in der Kirche gefunden hat. Es sind Schellen, aus dem 15. Jahrhundert, mit einem ganz sanften Klang. "Wir haben hier wirklich ganz schöne Kunstschätze, deswegen ist es wichtig, dass etwas getan wird", betont Lehmann-Horn.

Die erste Vorsondierung, die vom Ordinariat übernommen wurde, kam zu Kosten in Höhe von 46 000 Euro. Einen Kostenvoranschlag für die Renovierung gibt es noch nicht. Die Faustformel in diesem und in ähnlichen Sanierungsfällen ist einfach: 70 Prozent der Kosten trägt das Ordinariat, 30 Prozent müssen die Gläubigen der jeweiligen Pfarrei selbst auftreiben. "Das ist natürlich nicht realisierbar. Deswegen müssen wir uns um Sponsoren, Stiftungen und Spenden kümmern", sagt Lehmann-Horn. Es wäre nicht das erste Mal. Die Holzhauser geben sich sehr viel Mühe, um ihr kostbares Kulturgut zu erhalten.

© SZ vom 20.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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